Britta Weinbrandt - Sprachentwicklung und Sprachfoerderung bei mehrsprachigen Kindern

Sprachentwicklung und Sprachförderung bei mehrsprachigen Kindern

„Bitte sprechen Sie nicht in Ihrer Muttersprache mit Ihren Kindern – ich weiß ja nicht, ob Sie schlecht über mich reden.“

Mir liegt mein Seminar über Mehrsprachigkeit insbesondere deshalb sehr am Herzen, weil ich es tatsächlich so erlebt habe – dass ich von der Kindergartenleitung gebeten wurde, deutsch zu sprechen. Mir wurde dieses Misstrauen ausgesprochen.

Das hat mich im Innersten erschüttert.

Und ich BIN deutsch.

Wie muss es den anderen Eltern erst gehen, die nicht so gute Deutschkenntnisse haben und ihren Kindern kein Sprachvorbild sein können?

Mehrsprachigkeit ist keine Krankheit – im Gegenteil. 70 Prozent der Menschheit spricht mehr als eine Sprache, oftmals auch auf muttersprachlichem Niveau.

Das Herz drückt sich in der Muttersprache aus.

Mehrsprachigkeit ist eine Chance.

Jedes fünfte Kind in diesem Land hat einen Migrationshintergrund. Dennoch werden in Deutschland immer wieder Stimmen laut, es müsse deutsch gesprochen werden und nichts anderes.

Der Spracherwerb verläuft bei mehrsprachigen Kindern sehr individuell und hängt von verschiedenen Bedingungen ab, z.B. Intensität und Zeit des Kontaktes mit den gelebten Sprachen.

Wird in einer Familie eine andere Sprache als Deutsch gesprochen, so ist es wichtig, diese Sprache zuerst zu stärken. Denn wenn der Spracherwerb des Deutschen erst im Kindergartenalter beginnt, so baut er auf der Erstsprache auf – so funktioniert Sprachentwicklung.

„Das hat noch nie jemand zu mir gesagt.“ Das war einmal die Entgegnung einer mehrsprachigen Mutter auf mein Plädoyer für ihre Muttersprache.

Was ich zu ihr sagte, war: „Deutsch lernt Dein Kind im Kindergarten und in der Schule. Hier in Deutschland. Easy. Wofür wirklich etwas getan werden muss, das ist, die Muttersprache zu erhalten. Also bitte sprich in Deiner Muttersprache mit Deinem Kind. Je besser die sitzt, desto besser baut das Deutsche darauf auf. Und jede weitere Sprache, die danach kommt. Das ist wissenschaftlich erwiesen.“

„Stimmt“, sagte sie. „In meiner Familie gibt es viele, die unsere Muttersprache nur noch verstehen können, nicht mehr sprechen…. „

Selbst mir ist es nicht gelungen, dass meine Kinder in meiner friesischen Muttersprache mit mir sprechen – sie haben immer auf deutsch geantwortet.

Für Eltern bedeutet das, durch einen Trauerprozess zu gehen.

Ein anderes Kind ließ nach sich nach ein paar gemeinsamen Stunden mit mir wieder auf seine Muttersprache ein, sprach nicht mehr nur Deutsch. Mutter und Kind strahlten, als sie mir davon berichteten.

Ich hatte ihnen etwas erlaubt, was in diesem Land einem stillschweigenden Verbot zu unterliegen scheint. Mehrsprachig zu leben.

Mehrsprachigkeit ist keine Krankheit. Mehrsprachigkeit birgt keine Gefahren.

Im Gegenteil.

Für mich ist die Fähigkeit, in mehreren Kulturen, Sprachschätzen und Denkweisen unterwegs sein zu können, ein Ausdruck unermesslichen Reichtums. Ein Ja zur Vielfalt.

Um mehrsprachigen Kindern den Erwerb der deutschen Sprache zu erleichtern, sind Erzieherinnen demnach auch Kulturvermittler.

Kinder brauchen das Gefühl, mit ihrer Muttersprache willkommen geheißen zu werden. Nur unter dieser Bedingung werden sie unsere deutsche Sprache annehmen können. Durch Sprache drücken sie sich aus, zeigen sich einer bestimmten Kultur zugehörig.

Denn sie SIND ihre Sprache.

Und nur wenn wir ihnen diese Zugehörigkeit spiegeln, sie ganz natürlich in beiden Sprachsystemen zu Hause sehen, können sie sich entwickeln. Denn dann dürfen sie bedingungslos so sein, wie sie sind.

Für mich bleibt es existentiell.

Hilfreiche Möglichkeiten der Einbindung dieses Willkommensgedankens sind Thema dieses Seminars.

Weitere mögliche Inhalte sind:

  • Sprachentwicklung bei Mehrsprachigkeit
    • Simultaner Spracherwerb
    • Sukzessiver (zeitlich nacheinander folgender) Zweitspracherwerb
  • Die Rolle der Erzieherin
    • Interkulturelle Kompetenz
    • Zusammenarbeit mit den Eltern
  • Einschätzung der Sprachentwicklung
    • Beobachtungsverfahren, SISMIK
    • Sprachförderung bei mehrsprachigen Kindern