Britta Weinbrandt - IMMER ALLES - Welche Haltung brauchen Erzieher?

Welche Haltung brauchen Erzieher?


Durch meine Arbeit in der Kita-Weiterbildung stehe ich in regem Erfahrungsaustausch mit pädagogischen Fachkräften aller Altersgruppen. Ich erlebe in den Formaten, in denen ich mit Erzieherinnen bzw. sozialpädagogischen Assistentinnen oder Tagesmüttern etc. Kontakt habe, diese als hoch motiviert und engagiert und lebe – ohne Übertreibung – in genereller Hochachtung vor der Arbeit, die sie (und ihre männlichen Kollegen natürlich auch) an unseren Kindern leisten.

Ich weiß selbst, dass ich als Logopädin das Privileg einer Eins-zu-eins-Betreuung genießen kann und dass allein der in den Kitas herrschende Lärmpegel mir zu schaffen machen würde.

Allerdings scheinen viele Teilnehmerinnen meiner Seminare oder Studientage einem starken Spannungsfeld ausgesetzt zu sein: Immer wieder wurde mir beschrieben, wie manche sich täglich das Trinken verwehrten, um später nicht auf die Toilette gehen zu müssen, da sie wegen der herrschenden Aufsichtspflicht die Gruppe nicht verlassen dürften, in der sie zum Teil mit über zwanzig Kindern allein seien.

Wenn ich in Fortbildungsdesigns, die über eine Einzelveranstaltung hinaus gingen, die Möglichkeit hatte, selbst gewählte Hausaufgaben wie das Ausprobieren eines bestimmten Beobachtungsbogens, die Praxis des Aktiven Zuhörens oder eine kurze Zeitlupenbeobachtung zu geben, so konnten diese trotz hoher Motivation selbst bei einer drei- oder vierwöchigen Pause zwischen den Qualifizierungsmaßnahmen in den seltensten Fällen durchgeführt werden. Meist war durch Krankheit oder Urlaub die eine Kollegin ausgefallen, die in den erforderlichen zehn Minuten das „Tagesgeschäft“ hätte übernehmen können. Gleichzeitig wurde mir regelmäßig die Frage gestellt, ob ich nicht auch aus meiner Praxis bestätigen könnte, dass Kinder heute (sprachlich und insgesamt) „auffälliger“ und Eltern (Stichwort „Helikoptereltern“) „schwieriger“, „unsicherer“ und „behütender“ geworden seien.


Dies ließ in mir zunehmend die Frage aufkeimen, ob die alleinige gemeinsame Erarbeitung einer ressourcenorientierten und entwicklungsförderlichen Haltung mit einem positiven Blick den den Kindern gegenüber – die immer wiederkehrendes Thema in den Seminaren sind – überhaupt ausreichend sei, damit  Erzieherinnen eine zufriedenstellende (und im Sinne von Prävention gesunderhaltende) Arbeit leisten können?

Neben den derart aufgeworfenen Themen wie „Äußere Rahmenbedingungen“ und „Möglichkeiten zur Selbstfürsorge“ hörte ich von einer veränderten Sicht auf Dinge, die früher in ihrer Arbeit selbstverständlich gewesen seien. So berichteten einige zum Beispiel, dass sie keine echten Geburtstagskerzen mehr anzünden dürften. Hierin spiegelt sich meines Erachtens nicht nur eine veränderte Beziehung zu den Eltern wider, deren Beschwerden durch solche Interventionen zu verhindern versucht werden, sondern zeigt sich gleichfalls ein gesellschaftlicher Trend, sich abzusichern und kein Risiko einzugehen, welcher ausdrückt, dass niemand die mehr Konsequenzen tragen wolle, die sich aus einer Verantwortungsübernahme ergeben. Pädagogische Fachkräfte scheinen also vielfältigen „Veränderungsprozessen“ zu unterliegen.

Um zu einer ganzheitlichen Sicht zu kommen, in der die Inhalte meiner Seminare überhaupt wirksam sein können, war es für mich erforderlich, die verschiedenen Strömungen in der Pädagogik herauszuarbeiten, mit denen pädagogische Fachkräfte aktuell konfrontiert sind. Es geht es daher auch um relevante aktuelle Veränderungen in der Bildungspolitik. Um die speziellen Bedürfnisse der Erzieherin selbst zu  berücksichtigen, musste ich mich mit Persönlichkeitstheorien beschäftigen, in denen das Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit eine zentrale Rolle spielen. Hierbei ist die Bereitschaft, die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln, bestimmend.

Dazu gehören Faktoren wie Grundhaltungen und Werte, Kommunikation und Verhalten, Ressourcen und Stärken, die mir in diesem Zusammenhang wichtig sind.

Veränderungsprozesse in der Pädagogik

Hartmut Marsch gibt in seiner wunderbaren Dissertation „Das Prinzip Verantwortung als Handlungsorientierung im Feld öffentlicher Erziehung“ einen historischen Abriss der Pädagogik.

„Erziehung und Politik sind untrennbar miteinander verwoben“. 

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Entwicklung der aufkeimenden Reformpädagogik durch die beiden Weltkriege gebremst wurde. Erst durch die Studentenbewegung der 1960er Jahre wurde eine Weiterführung dieser Arbeit ermöglicht. Das Ende der Nachkriegszeit seit 1989 brachte eine Perspektivenerweiterung von in der Wissenschaft längst bestehenden Ansätzen auch in der Pädagogik. Die zunehmende Digitalisierung hatte den Anstoß zu Hirnforschung, Genforschung und Kybernetik gegeben und das Systemische Denken daraus erwachsende Kommunikationstheorien gebracht, außerdem wurde zunehmend eine Ressourcenorientierung thematisiert. In der aktuelleren Entwicklung  gewann der frühkindliche Bildungsbereich nach dem PISA-Schock im Jahre 2000 enorm an Aufmerksamkeit und Bedeutung. In allen Bundesländern wurden ab 2004 Bildungsprogramme, Bildungspläne oder Bildungsempfehlungen erarbeitet und zur verbindlichen Arbeitsgrundlage, wodurch Kindertageseinrichtungen zu Institutionen mit einem umfassenden Bildungsauftrag aufgewertet wurden. Zusätzlich wurde 2007 der Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren beschlossen und seit 2013 der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr verankert.

Der Bedarf des quantitativen Ausbaus von Betreuungsplätzen vernachlässigte vor dem Hintergrund der veränderten Anforderungen die tatsächliche Situation in den Einrichtungen. Die strukturellen Rahmenbedingungen wurden vielerorts kaum entsprechend entwickelt und angepasst, beispielsweise beim Betreuungsschlüssel, welches in der Praxis zu den eingangs beschriebenen handfesten Umsetzungsproblemen führen kann.

Weiterhin wurde traditionelle Elternarbeit im Sinne der Gestaltung von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften völlig neu konzipiert. Es fehlen jedoch oftmals strukturell Zeiten für die Vor- und Nachbereitung und für eine intensive Elternarbeit. Der Wandel in der Sicht auf die Elternarbeit kollidiert mit der gefühlten Tendenz, dass Eltern ihren Kindern heutzutage viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken in der Lage sind, welches überspitzt von der bayerischen Kabarettistin Monika Gruber auf den Punkt gebracht wurde:

„Wenn wir mal in der Schule schlechte Noten g’habt haben, dann san mir von unsere Eltern g’schimpft worden und nicht unsere Lehrer“!

(Allerdings macht sie sich gleich im Folgesatz über Eltern lustig, die ihre Kinder für hochbegabt halten – ein Thema, über das ich mich in bereits in meinem Artikel über hochbegabte Kinder und Underachiever ausgelassen habe…)

(ab Minute 4:06)

Das Beobachten und Dokumentieren stellt heute eine zentrale Aufgabe dar. „Die wichtigsten Begriffe in der pädagogischen Praxis sind nicht mehr „Sprechen“, „Erklären“ und „Vermitteln“, sondern „Zuhören“, „Beobachten“ und „Dokumentieren“.

Schlagworte wie Inklusion und Partizipation bestimmen den pädagogischen Diskurs.

Der Wandel von Homogenität zu Diversität bedeutet, dass Kinder, die früher separiert wurden, nun berücksichtigt werden müssen.

„Inklusion ist eine Frage der Haltung“, titulierte die Hannoversche Allgemeine Zeitung, „Die Barrieren müssen weg. Die baulichen – die Treppen und Türen, die man mit dem Rollstuhl nicht bewältigen kann. Aber auch die Barrieren im Kopf“.

Jedoch nicht nur die Sicht auf Behinderungen zeigt sich verändert, ebenso gab es einen neuen Umgang mit Begabungen. Es werden nicht mehr nur besonders- oder hochbegabte Kinder in einer speziellen Begabtenförderung gefördert, sondern eine flächendeckende Begabungsförderung aller Kinder ist gefragt. Es fehlt Erzieherinnen jedoch an Kenntnissen in den einzuführenden Bildungsbereichen wie Naturwissenschaft, Mathematik, technischer Bildung, sprachlicher Förderung (neben der aktuellen Herausforderung, Flüchtlingskinder ohne deutsche Sprachkenntnisse aufnehmen zu müssen) und Literacy.

Eine Bertelsmann-Studie von 2006 benannte als weitere Fortbildungsbedarfe das Fehlen von Kenntnissen der Bedürfnisse von Kindern unter drei Jahren, ein überholtes Bild des Kindes und den Mangel an methodisch-didaktischen Kenntnissen für den Umgang mit Kindern im jüngeren Alter. Der auf allen Ebenen entstehende hohe Qualifizierungsbedarf treibt ebenfalls die Professionalisierung und Akademisierung voran. Anreize für die Teilnahme an Weiterbildung sowie soziale und finanzielle Anerkennung wurden jedoch nicht gefördert. Ein Ruf nach verbesserten Rahmenbedingungen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen wurde laut.

Der meines Erachtens wichtige positive Wandel, der sich aus den beschriebenen Veränderungen ergeben hat, ist das entstandene sogenannte „neue Bild vom Kind“ und das „neue Bild der Erzieherin“. Im infans-Konzept wird beschrieben, was das heißen kann: Das Kind wird als starke Persönlichkeit, Gestalter seiner eigenen Ziele und Beziehungen, als aktives und kompetentes Wesen, als Forscher, Entwickler und Spezialist seiner eigenen Fähigkeiten auf Augenhöhe betrachtet. Die Erzieherin wird als einfühlende Beobachterin und zugleich Beantworterin der Themen und Interessen der Kinder und somit gleichwertige Interaktionspartnerin, Begleiterin und Unterstützerin gesehen, die ihre eigene Selbstbildung und Bildungsbiografie kompetent reflektiert.

Ein „Paradigmenwechsel in der Fragestellung“ führte demnach weg von der direktiven „Ich bringe dir etwas bei-Haltung“ zu einer auf Augenhöhe forschenden Haltung der Ko-Konstruktion, die danach fragt, die Kinder zu verstehen. Bildung ist in diesem Sinne nicht mehr nur Kompetenzerwerb, sondern die Konstruktion und Aneignung der Welt durch das Kind selbst. Damit ist Erziehung die Antwort der erwachsenen Bezugspersonen auf diese Aneignungs- und Bildungsprozesse der Kinder geworden, die sich in der Gestaltung der Umwelt des Kindes und der Gestaltung der Interaktion mit ihm ausdrückt. Die Aufgabe der Betreuung ist somit nicht mehr nur, das Aufwachsen und Wohlergehen sicherzustellen, sondern es gilt, eine verlässliche Zuwendung in einer sicheren Bindung zu schaffen und Anregung zu bieten für alles, was Kindern einen Zugang zur Welt verschafft, sodass ein Wechselspiel von Anregung und Entfaltung erkennbar wird.

Es wird deutlich, dass alle genannten Faktoren eine professionelle Haltung voraussetzen, um nicht nur die formulierten Anforderungen zu erfüllen, sondern auch dem dahinter liegenden Selbstverständnis pädagogischer Professionalität entsprechen zu können. Von den Fachkräften wird heute ein hohes Maß an Selbstreflexion erwartet. Susanne Viernickel fasst zusammen: „Sie sollen offen und wertschätzend mit Verschiedenheit und den besonderen Bedürfnissen und Bedarfen aller Kinder und Familien umgehen (Diversity-Kompetenz), fachlich und ethisch begründet eigenverantwortlich handeln sowie fall- und situationsbezogen flexibel und sensibel agieren können“. Welche Bedingungen bestimmen eine solche Haltung?

Haltungsbestimmende Faktoren 

Um mehr darüber zu erfahren, habe ich eine umfassende Literaturrecherche gemacht, die ich im Folgenden hier zusammenfassen werde. Friedemann Schulz von Thun beschreibt im Gespräch mit Bernhard Pörksen treffend, wie stark die vielbeschriebene Haltung mit der Biographie verwoben ist:

„“Erziehung“ ist auch Nervensache, und das Nervenkostüm des Erziehers und die konkreten Lebensverhältnisse werden unweigerlich eine größere Rolle spielen als pädagogische Einsichten. Vieles, was Eltern und Lehrer tun, begründen sie hinterher „pädagogisch“, aber in Wahrheit konnten sie aus ihrer Haut nicht heraus“.

In einer Expertise zur Professionalisierung in der Frühpädagogik fasst Yvonne Anders  professionelle Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zusammen, zu denen „verschiedene Aspekte des Professionswissens, pädagogische Orientierungen und Einstellungen, motivationale und emotionale Aspekte, selbstregulatorische Fähigkeiten sowie Aspekte des professionellen Selbst- und Rollenverständnisses“ gehörten, die als Teilkomponenten der professionellen Haltung aufzufassen seien. Die entstehenden Aspekte des beruflichen Rollen- und Selbstverständnisses berühren auch Persönlichkeitsmerkmale wie Reflexionsfähigkeit zur Verbesserung des pädagogischen Handelns, Offenheit im Umgang mit der Ungewissheit im professionellen Handeln und der bewussten Entwicklung der Professionalität, die die Fähigkeit und den Willen zur Kommunikation umfasst.

U.a. Susanne Viernickel beschreibt sehr aussagekräftig drei Typen, wie mit den Herausforderungen, die die Veränderungsprozesse in der Pädagogik mit sich bringen, umgegangen werden könne.

Typ 1 sei der „wertekernbasierte Typ“, dem es darum ginge, eine pädagogische Grundorientierung in eine gelebte Praxis münden zu lassen und der somit dem aktuellen Bildungsverständnis sehr nahe komme.

Typ 2 sei der „umsetzungsorientierte Typ“, der sich aufopfere, unter dem Druck der hohen Verantwortung zusammenbreche und darunter leide, dass die ideellen Anforderungen, die er wirklich umsetzen wolle, aufgrund der äußeren Gegebenheiten zu pädagogischen Handlungsdilemmata führten.

Typ 3 wird als der „distanzierte Typ“ beschrieben, der die Veränderung ablehne und seine eigene habitualisierte Praxis verteidige um den Preis der Abwertung der Bildungsprogramme, und der an einem professionellen Selbstverständnis festhalte, das nicht mehr zum aktuellen Professionsverständnis passe.

Julia Schneewind schreibt, dass „Selbstwirksamkeit verstanden wird als die Fähigkeit eines Individuums, ein erwünschtes Ergebnis zu erzielen“. Hierbei besteht ein deutlicher Zusammenhang zur persönlichen Selbstwirksamkeitserwartung. Betrachtet man die oben beschriebenen drei Typen, so verdeutlicht sich, dass es hier eigentlich um das sogenannte „Mindset“ geht, die Grundeinstellung bzw. das  Selbstbild, mit dem die Betroffenen sich und die Welt betrachten. Carol Dweck beschreibt das statische versus dem dynamischen Selbst- und Weltbild.

Für Menschen mit einem statischen Selbstbild seien die Dinge in Stein gemeißelt, unveränderbar und fix. Sie haben kaum positive Selbstwirksamkeitserfahrungen und scheuen vor großen Herausforderungen, da ein Fehler oder sogar ein Scheitern auf ihr als negativ erlebtes So-Sein zurückgeführt werden könne. Sie identifizierten sich mit ihren Misserfolgen (Entitätstheorie) und haben daher ein geringes Selbstbewusstsein, da sie sich und anderen ihre Fähigkeiten in jeder Situation neu beweisen müssten, sich ständig selbst bewerteten und bewertet fühlten. Sie lebten in Konkurrenz mit anderen.

Menschen mit einem dynamischen Weltbild dagegen glaubten an Lernen und Entwicklung, kämen bei besonders großen Herausforderungen an ihre Hochleistung heran und erlebten große Selbstwirksamkeit, denn auch wenn sie scheiterten, könnten sie dem Sinn ihres Tuns noch etwas Positives abgewinnen. Daher könnten sie Fehlschlägen ehrlich ins Auge sehen, da sie es nicht persönlich nähmen und daran glaubten, sich beim nächsten Versuch verbessern zu können (Modifizierbarkeitstheorie). Sie seien von Neugier getrieben und lebten vielfach in einem Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen, da sie ihre Mitmenschen auf Augenhöhe erlebten.

U.a. Kuhl formulierte die Frage, ob es nicht nur von innen heraus möglich sei, seine Haltung zu verändern, sondern ob dies auch aufgrund gelebter Praxis geschehen könne. Dies lässt hoffen, dass die Umsetzung von Dwecks Forschungsergebnissen in der Pädagogik, die in vielerlei Fortbildungszweigen vermittelt werden, aufgrund der positiven Erfahrungen von pädagogischen Fachkräften schließlich auch zu einer langfristigen Veränderung des Mindsets führen könnten: Eine entwicklungsorientierte Haltung drückt sich nämlich sehr stark auch in einer bewussten dialogorientierten Kommunikation mit Kindern aus. Sprache stellt eine Querschnittsaufgabe der Bildung dar und was zu einem guten Sprachvorbild gehört, wird Erzieherinnen vielfach vermittelt.

Dass dies jedoch nicht nur in die Sprachentwicklung eingreift, sondern tiefergehende Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungsfähigkeit hat – diese Dimension ist nur wenigen bewusst. Insbesondere geht es um das Loben (und zwar nicht erst seit Carol Dweck; beispielhaft sei hier auch Thomas Gordons bekannte „Familienkonferenz“ von 1970 genannt).

Beim Loben ist – bezugnehmend auf das vorher aufgezeigte Mindset – wichtig, dass darauf geachtet wird, dass die Handlung und daraus ersichtliche (dynamische) Anstrengungsbereitschaft des Kindes ein positives Feedback erhält und nicht das Kind selbst mit der Zuschreibung einer (statischen) Eigenschaft. Auf diese Weise wird ein positives veränderliches Selbstbild sowohl in dem, der das Lob erhält, geschaffen, wie auch in der Person, die sich über die Formulierung eines solchen Lobes Gedanken macht. Drei Experimente von Mueller und Dweck stellen auf erschreckende Weise dar, wie schnell ein Mindset zum Negativen verändert werden kann.

  • Im ersten Experiment wurden Schüler der fünften Klasse nach einem Intelligenztest gelobt: 50 Prozent für ihre Intelligenz, 50 Prozent für ihre Anstrengung. Bevor sie einen zweiten IQ-Test machen sollten, wurde ihnen angeboten, ob sie noch eine neue Problemlösestrategie erlernen oder ihr Ergebnis lieber im Vergleich mit den anderen sehen wollten: Nur von der zweiten Gruppe entschied sich die Mehrheit dafür, noch etwas Neues dazuzulernen.
  • Im zweiten Experiment, mit der gleichen Ausgangslage, wurde jedoch vor dem zweiten Test angesagt, dass sie wählen könnten, ob sie einen schwereren machen wollten, in dem sie viel dazulernen würden, oder ob sie einen ähnlich leichten Test machen möchten wie den eben: 90 Prozent der Kinder, die für ihre Anstrengung gelobt wurden, wollten mehr lernen. Den anderen war das gute Abschneiden wichtiger.
  • Im letzten Experiment wurde erneut bei den Kindern jeweils zur Hälfte ein dynamisches und statisches Mindset hergestellt. Jetzt führten nach dem erfolgten Lob alle einen schwereren Test für zwei Jahre ältere durch. Die Kinder, die für ihre Anstrengung gelobt wurden, erklärten ihren Misserfolg damit, dass sie sich nicht genügend angestrengt und konzentriert hatten. Die anderen bezweifelten, ob sie wirklich so schlau wären, wie ursprünglich angenommen. In einem anschließenden dritten Intelligenztest schnitt die erste Gruppe signifikant besser ab als vorher, die zweite verschlechterte sich, obwohl im ersten ähnlichen Test alle vergleichbare Ergebnisse erzielt hatten.

Dies lässt aber ebenso den Umkehrschluss zu, dass es ebenso geringer Veränderungen in die positive Richtung bedarf, um bei Kindern große Wirkungen zu erzielen. Es empfiehlt sich also, eine generelle Wertschätzung mit Bezug zur Person, wie sie sich zum Beispiel zu Jungs in einem „Mann, bist du stark!“ und zu Mädchen in einer Bemerkung wie „Siehst du heute hübsch aus!“ ausdrücken könnte, bewusst in eine dialogorientierte Wertschätzung mit Bezug zur Aktivität des Kindes umzuwandeln: „Wie hast du das denn so schnell gemacht?“ oder „Wer hat denn diesen hübschen Zopf geflochten?“ kann somit nicht nur der Beginn einer wertschätzenden Unterhaltung sein, sondern auch noch verhindern, dass Kinder sich mit Äußerlichkeiten identifizieren.

Auch für den Blick auf die Kinder und Verhalten von Erzieherinnen kann das Mindset wichtig sein, wie in es der folgenden Tabelle von Ziegler in Bezug auf Begabungsförderung dargestellt wird.

Welche Haltung brauchen Erzieher

Abschließend möchte ich meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass jemand, der an die generelle Veränderbarkeit von Situationen glaubt und sich aktiv und motiviert bei seiner Arbeit einbringt, sich mit mehr Selbstfürsorge für seine eigenen Belange einsetzen kann. Ich hoffe sehr, dass auch meine Arbeit – mit der stetigen Einladung zur Reflexion – bei meinen Teilnehmerinnen zu einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen führen kann und somit der Gesundheit von pädagogischen Fachkräften und der positiven Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder dienen kann.