Britta Weinbrandts Übungssammlung zur Förderung der phonologischen Bewusstheit

Übungssammlung zur Förderung der phonologischen Bewusstheit

Wirksam und spielerisch die Lese-Rechtschreibkompetenzen fördern

Es ist erwiesen, dass Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten daraus entstehen können, dass Kinder die  Einzellaute, aus denen Wörter aufgebaut sind, nicht richtig wahrnehmen und verarbeiten können. Das kann man sich ja auch leicht vorstellen, dass ein Wort, wenn es nicht richtig gehört wird, auch nicht richtig geschrieben werden kann.

Ich vermute beispielsweise schon recht lang, dass die Tatsache, dass unglaublich viele Erstklässler das „Dativ-dem“ noch nicht verwenden, also „etwas liegt auf den Tisch“ statt  „auf dem Tisch“ sagen, in einem Verhörer begründet sein könnte und nicht unbedingt in Grammatikproblemen. Rund sechzig Prozent aller deutschen Worte werden lautgetreu geschrieben, also genau so, wie man sie hört. Diese sechzig Prozent hätte man also schon einmal gewonnen, wenn die Hörwahrnehmung klappt. Das reduziert die mögliche Fehlerzahl gewaltig!


Nachweislich erleichtern kann man Kindern den Einstieg in den Lese- und Rechtschreiberwerb, wenn man also bereits vorschulisch die Fähigkeiten der phonologischen Bewusstheit fördert. Zur phonologischen Bewusstheit gehören im weiteren Sinne das Reimen oder Silbenklatschen, das sogar schon Dreijährige meistern können. Die meisten sind in der Lage, den Satz „Ich kenne eine Maus, die wohnt in einem —-“ korrekt zu beenden.

Im engeren Sinne gehört dazu das Erkennen von gleichen Anlauten oder  die Fähigkeit, aus den Silben Mau – se – fal – le das Wort Mausefalle bzw. aus den Lauten W-a-l das Wort Wal zusammenzusetzen (und umgekehrt). Oder dass ein Kind, wenn ihm T- isch vorgesagt wird, auf den Tisch zeigt und nicht auf den Fisch. Und erst recht nicht auf den Stuhl. Dies ist schon deutlich schwerer. Es bedeutet jedenfalls, dass ein Kind in der Lage sein sollte, nur die Wortform unabhängig von der Bedeutung des Wortes betrachten zu können.


Ein weiterer Aspekt, der dazu gehört, ist die phonologische Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis, sprich: die Merkfähigkeit. Und auch hier kann man sich wieder denken, dass es bei einer geringen Merkspanne schwierig sein sollte, kompliziertere Wortoperationen vorzunehmen wie zum Beispiel die Aufgabe: „Zeig mir „Bengel“, aber hexe vorher bitte das B weg!“ Abgesehen davon, dass das Anlaute-Manipulieren tatsächlich eine der schwierigsten Aufgaben ist, die einem in diesem Bereich begegnen kann, ist es schwer, auf den Engel zu zeigen, wenn man sich schon die Aufgabenstellung bzw. das Ausgangswort gar nicht richtig merken konnte.

Die phonologische Verarbeitung beim Zugriff auf den Wortspeicher ist ein weiterer Punkt. Das kann man z.B. daran erkennen, wie sehr man sich dabei verhaspelt oder vielleicht falsche Wörter sagt, wenn man schnell eine Reihe von Begriffen benennen lässt. Und zuletzt ist es auch wichtig, dass die Verknüpfung zwischen dem Laut mit dem dazugehörenden Buchstaben gut gefestigt ist, die sogenannte Paarassoziation. Es soll Kinder geben, die schlicht Probleme haben, sich den passenden Buchstaben zum passenden Laut zu merken.


Um dieses alles zu trainieren und die Kinder zu unterstützen gibt es einige Programme für Kindertagesstätten, wie zum Beispiel „Wuppi“ und „Lobo vom Globo“ oder die „Mutter aller Trainingsprogramme“, das „Würzburger Trainingsprogramm“ „Hören, lauschen, lernen“. Natürlich habe ich als Logopädin viele therapeutische Spiele und als Dozentin in der Kitaweiterbildung auch Anschauungsmaterial in dieser Richtung da. Weil ich mir aber gedacht habe, dass es doch immer etwas viel verlangt ist, sich gleich irgendwelche teuren Materialien anzuschaffen, sei es als Eltern oder als pädagogische Fachkraft, habe ich irgendwann angefangen, Spielideen, die ich mir entweder selbst ausgedacht hatte oder im Internet fand, einfach mit dem Material umzusetzen, das ich hatte.

Und eines der ältesten Spiele, das ich besitze, das es auch noch zu kaufen gibt, ist das Kinder Memory von Ravensburger. (Ich möchte an dieser Stelle erwähnen, dass ich hier in keiner Weise vertraglich mit dem Verlag verbandelt bin –  Und ja, wie auf dem Photo zu erkennen ist, habe ich als Kind darauf wert gelegt, insbesondere ein gewisses Pärchen zu gewinnen: Die markierte Karte ist eine Katze.)

Ich begann, damit zu experimentieren, und machte es mir zusätzlich zur Gewohnheit, wann immer ich mein Seminar über phonologische Bewusstheit irgendwo hielt, allen Teilnehmerinnen die Zeit zu geben, ebenfalls ihre Spielideen miteinander auszutauschen und aufzuschreiben. Mit der Zeit ist dadurch eine recht ordentliche Spielesammlung zustande gekommen, die über den Bereich phonologische Bewusstheit deutlich hinaus geht. Und genau diese Sammlung stelle ich im Folgenden vor. Sie ist sicherlich auch auf andere Spiele übertragbar. Viel Spaß damit!

Ideensammlung für das „Kinder Memory“

Wortschatz und Sprachproduktion

  • Kartenklatschen
  • Bilder benennen
  • In vollständigen Sätzen erzählen, was man sieht: Der Luftballon ist rot. Der Feuerwehrmann löscht das Feuer.
  • Schneller Wortabruf: Normale Memoryregeln. Die gewonnenen Karten werden offen neben jeden Spieler abgelegt. Wer ein neues Pärchen gewinnt, muss so schnell wie möglich alle seine bislang gewonnenen Karten benennen
  • Bilder pantomimisch darstellen, raten lassen
  • Einzahl-Mehrzahl – lässt sich generell gut bei jedem Memoryspiel begleitend einsetzen
  • Sortieren nach Artikeln (gern auf farbigem Papier: blau = der, rot = die, gelb = das)
  • Erklären und Raten: Die Hälfte der Bilder offen auslegen, die andere Hälfte verdeckt stapeln. Abwechselnd eine Karte vom Stapel ziehen, erklären, wie es aussieht, was man damit machen kann… -(ohne den Begriff zu nennen) und erraten lassen
  • Variante: Ich sehe was, was Du nicht siehst…
  • Kategorien bilden: Tiere, was kann man essen, was fliegt, was hängt am Baum, was hat vier Beine, was schwimmt, was wächst, Fahrzeuge…
  • Variante: Finde aus einer Reihe den Gegenstand, der nicht dazu passt (Beispiel Oberbegriff Tiere: Flugzeug – Katze-Eule-Hund)
  • Größe und Gewicht: Was kann ich tragen?
  • Nach Möglichkeiten sortieren: Was kann alles in einem Haus sein? Was gehört nach drinnen, was nach draußen?
  • Was braucht: …ein Schiff? Wasser, … ein Hund? Wasser und Fressen, …die Blume? Wasser und Erde und Sonne
  • Was verbindest du mit dem Bild? Frosch = Froschkönig, Teich…
  • Gegensätze finden: heiß/kalt
  • Adjektive finden, Bilder beschreiben
  • Wortreihen zusammensetzen, auch Quatschwörter: Clowneis, Erdbeerhund,…
  • Ratz Fatz: Erwachsener erzählt eine Geschichte. Die Zielwörter liegen aus und sollen von den Kindern erkannt und aus der Mitte genommen werden.
  • Quatschgeschichten: Jeder Spieler bekommt von jedem Mitspieler eine Karte zugeteilt. Alle erhaltenen Wörter müssen in der Geschichte vorkommen
  • Koffer packen
  • Zicke Zacke Hühnerkacke: Die Hälfte der Karten offen im Außenring als Spielfeld auslegen, die andere Hälfte verdeckt in die Mitte legen. Mit Spielfiguren einen Weg erwürfeln und die Karte, auf der man gelandet ist, in der Mitte versuchen, wiederzufinden
  • zählen

Visuelle Wahrnehmung

  • Farben benennen
  • Variante: von fünf ausgelegten Karten die vier roten Gegenstände heraussuchen
  • Dalli Klick: Pappen ausschneiden, z.B. mit Symbolen in der Mitte. Die Bilder werden damit belegt und zum Teil verdeckt. Raten lassen, was darunter versteckt ist
  • Kim-Spiel: Eine zu steigernde Anzahl von Bildern auslegen. Davon nach einer Weile des Einprägens ein bis zwei der Bilder aus der Mitte entfernen und erraten lassen
  • Kim-Spiel-Variante: z.B. 3 Bilder in die Mitte legen, alle umdrehen: Was lag da? Anzahl steigern
  • Mit den Karten die Formen von Buchstaben auslegen

Hörwahrnehmung und Phonologische Bewusstheit

  • Geräusche produzieren und raten lassen: Die Hälfte der Bilder offen auslegen, die andere Hälfte verdeckt stapeln. Abwechselnd eine Karte vom Stapel ziehen und ein Geräusch produzieren
  • Geräusche vorher mit den Kindern aufnehmen. Abspielen lassen, dann raten
  • Lieder zu den Bildern finden und singen (dazu eignet sich insbesondere auch das „Nanu“-Mitbringspiel von Ravensburger)
  • Reime bilden, auch Quatschreime. Das entsprechende Bild erraten lassen und aus der Mitte sammeln: Ratze – Katze
  • Wettbewerb: Wer findet am schnellsten einen Reim?
  • Wettbewerb: Karten aufdecken – Wer klatscht am schnellsten die Silben?
  • Jeweils zwei Karten zur Auswahl geben und bestimmen lassen, welches länger und welches kürzer ist
  • Mit Bauklötzen, Legosteinen oder ähnlichem die Mengen 1 bis 5 darstellen. Die Bilder anhand der Silbenanzahl von Clown bis Mo – tor – rad – fah – rer sortieren.
  • Wer hat das längste Wort: Alle Bilder auf die Spieler austeilen, Stapel bilden. In jeder Runde geben die Spieler die oberste Karte in die Mitte. Wer das längste Wort bilden kann, gewinnt die Runde. Haben zwei Spieler die gleiche Silbenanzahl, gibt es zwischen den beiden ein Stechen. Wer am Ende den größten Stapel hat, gewinnt.
  • Alle Karten in einem Kreis verdeckt auslegen. Jeder hat eine Spielfigur auf einem eigenen Feld. Man dreht die Karte um, auf der man steht, und geht so viele Felder weiter, wie diese Silben hat. Dabei tritt man nur auf die noch verdeckten Karten
  • Variante: Jedes Kind erhält seine eigene „Bilderleiter“, die es auf diese Art hochklettert. Wer die längsten Wörter hat, ist demnach zuerst oben angekommen und gewinnt.
  • Einen Würfel dazunehmen und je nach Würfelpunkten ein Wort mit der passenden Silbenanzahl heraussuchen. Die 6 ist ein Joker. Mögliches Spielende: Wer zuerst alle 1- 5 Silben gesammelt hat
  • Die Karten statt eines Würfels in einem Brettspiel der Wahl verwenden und pro Silbe ein Feld weiterziehen: Dreht man das Flugzeug um, geht der Spieler zwei vor, etc.
  • Karte ziehen und die Anzahl der Silben auf Teppichfliesen hüpfen lassen. Daraus kann man ein Zielwetthüpfen machen: Wer zuerst ankommt
  • Silben vermischen: schen – lam  – ta – pe, beer – eis – erd, pe – tul, to – wehr – feu – au sollen trotzdem verstanden und herausgesucht werden
  • Sprachmelodie: Wörter verschiedener Silbenanzahl auslegen, vorsummen. „M – m – m“ für Feuwehr, „M“ für Bus sollen trotzdem verstanden und herausgesucht werden
  • Sich zu einer Karte einen Satz ausdenken. „Die Katze klettert eine Leiter hoch“. „Der Hund bellt“. Das Kind soll zählen, wie viele Wörter in dem Satz waren. Eine Handvoll Muggelsteine oder ähnliches zum Darstellen der Anzahl bereithalten
  • Sortierspiel: Anlaute nach dem ABC
  • Anlauterkennung: Generell gleiche Anlaute finden lassen
  • Variante: Bei zwei vorgelegten Karten erkennen lassen, ob sie gleich anfangen oder nicht
  • Variante: 4 Karten auslegen, von denen drei gleich anfangen. Welches gehört nicht dazu? z.B. Schloss – Schiff – Schlange – Maus oder Frosch – Feuerwehr – Hund – Flugzeug
  • Das gleiche mit Endlauterkennung
  • Endlaut-Anlaut-Wörterschlange: An ein Wort, das mit SCH endet, passt ein neues, das mit SCH anfängt: An Schiff passt Fisch, an Fisch passt Schlange, an Schlange passt Erdbeere etc.
  • Von zwei gleich anfangenden Wörtern nur den ersten Laut benennen: Fisch und Feuerwehr beginnen mit F
  • Vokalerkennung: An jeden Spieler 5 Karten austeilen. Einer beginnt, eine Karte in die Mitte zu legen, die nächsten müssen die Vokale bedienen. Katze passt auf Schlange. Wer nicht kann, nimmt eine Karte auf.
  • Variante: Vokalwechsel: Auf Lokomotive passen Wörter mit o, i und e
  • Drei Chinesen mit dem Kontrabass: Vokal aussuchen, alle Wörter damit sprechen. Maas, Aas, Krakadal
  • Nach einem bestimmten Ziellaut suchen, z.B. K, dann Katze, Schnecke etc. zusammentragen. Anschließend sortieren nach Anlaut – Mittellaut – Endlaut
  • Robotersprache: Karten auslegen und beim Benennen den Anlaut vom Reim trennen. Die Kinder sollen erkennen, welches Wort gesagt wurde, K-atze, H-und, Fl-ugzeug… Oder auch den Endlaut abtrennen: Mau-s, Eul-e
  • Robotersprache – erhöhter Schwierigkeitsgrad: Alle Laute voneinander getrennt vorsprechen und erraten lassen, Sch-i-ff, K-a-tz-e,…
  • Spoonerism: Weuerfehr, Schampfdiff, Spegenst, Fotorradmahrer sollen trotzdem verstanden und herausgesucht werden
  • Beide Karten eines Pärchens auslegen, eines der Wörter falsch aussprechen: Schiff oder Siff, Baum oder Paum, Apfel oder Afel. Entscheiden lassen, welches richtig war.
  • Wörter nach Anzahl der Laute sortieren, C-l-ow-n = 4, K-a-tz-e = 4
  • Quatschsuppe: die Karten werden sichtbar ausgelegt, der Spielleiter bestimmt einen Anlaut, z.B. L. Nun wird eine L-Suppe gekocht und alle Anlaute werden durch diesen ersetzt: Losch, Latze, Leuerwehr…
  • Geheimsprache: Seinen eigenen Namen aus den Anfangslauten legen, Gabi= Geldbeutel – Apfel – Baum – Indianer
  • Laute aus dem eigenen Namen wiedererkennen   
  • Laute manipulieren: Karte ziehen und benennen, Anlaut weghexen. Was bleibt?
  • Paarassoziation: Zu einzelnen Karten Laute erfinden oder Silben. Clown = mi, Ballon = la, Feuerwehrauto = ro. Auswendig lernen, dann Reihenfolge vertauschen. Was steht da jetzt? Gern auch die Pärchen doppelt verwenden: ro – mi – la – la – ro – mi

Auditive Merkfähigkeit

  • Bis auf eines alle Bilder in der Mitte benennen. Die Kinder raten, welcher Begriff fehlte. In jeder Runde eine Karte mehr dazunehmen und den Schwierigkeitsgrad steigern
  • Variante: Ein halbes Memoryspiel liegt offen in der Mitte, die andere Hälfte auf einem Stapel. Einer zieht mehrere Karten vom Stapel (Anzahl steigerbar) und „liest sie vor“. Anschließend werden die gehörten Bilder eingesammelt oder mit Muggelsteinen, Holzsteinen etc. belegt.
  • Variante: Alle Karten mischen und auslegen. Einer zieht nacheinander eine Karte nach der anderen und „liest sie vor“. Danach wird sie verdeckt wieder umgedreht. Die Kinder sollen sich Karten und Position merken. Wenn die erste doppelt vorgekommen ist, dürfen die anderen versuchen, sie abzuklatschen
  • Rollbrett-Memory: Die Karten im Raum verteilen und ansagen, welche das Kind auf seiner Runde auf dem Rollbrett (oder einem anderen vorhandenen Verkehrsmittel, z.B. Bobbycar) mitbringen soll. Anzahl steigern.

Ein Dank geht an alle weiteren Ideengeberinnen und Teilnehmerinnen der Seminare „Förderung der phonologischen Bewusstheit als Prävention von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten“, und „Die Bedeutung des Hörens in der kindlichen Entwicklung“.