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Sprachstörungen bei Erwachsenen

Sprachstörungen im Erwachsenenalter sind in der Regel Aphasien. Aphasien sind zentrale Sprachstörungen, die linguistisch als Beeinträchtigung in den verschiedenen Komponenten des Sprachsystems (Phonetik/Phonologie, Semantik/Lexikon, Morphologie/Syntax, Pragmatik) zu beschreiben sind.

Die aphasischen Störungen erstrecken sich auf alle expressiven und rezeptiven Modalitäten, d.h. auf Sprechen und Verstehen, auf Lesen und Schreiben.

Als Aphasie bezeichnet man im deutschsprachigen Raum Störungen, die erst nach Abschluss des Spracherwerbs auftreten.

Ursachen

Bei folgenden Grunderkrankungen können Sprachstörungen/Aphasien auftreten:

Schlaganfälle (ischämische Insulte, Hirnblutungen)

  • Schädel – Hirn – Traumata
  • Hirntumore
  • Hirnoperationen
  • Cerebrale entzündliche Prozesse (z. B. Enzephalitis)
  • Degenerative Erkrankungen (z.B. Alzheimer)

Leitsymptome der Aphasie

1. Störungen der Lautsprache

Störungen der Wortwahl und Wortfindung

Ein Wort kann nicht mehr genannt werden, oder es wird statt dessen ein anderes Wort genannt (semantische Paraphasien oder Neologismen).

Störungen der Lautstruktur

Die Lautstruktur der Wörter ist fehlerhaft, so dass das Wort leicht verändert wirkt oder aber gar nicht mehr verständlich ist (phonematische Paraphasien oder Neologismen).

Störungen von Satzbau und Grammatik

Es kommt zu Satzabbrüchen oder zur Verkürzung von Sätzen im Sinne eines Telegrammstils; es kommt zu Wortstellungsfehlern im Satz oder zu morphologischen Fehlern, manchmal werden auch Sätze ineinander verschränkt oder Teile des Satzes verdoppelt.

Automatisierte Sprache

Im schwersten Fall wird bei Formulierungsversuchen immer wiederkehrend eine Silbe, ein Wort oder eine Redephrase geäußert, ohne dass dies kontrolliert werden kann. Es treten auch Echolalien auf, bei denen der Betroffene vom Vorredner Gesagtes zwanghaft wiederholt, oder es wird alles, was geäußert wird, mehrfach wiederholt (Perseverationen).

Störungen des Redeflusses

Manche Aphasiker haben eine übersteigerte Redeweise (Logorrhoe), andere eine verminderte, unflüssige Sprachproduktion mit starker Sprachanstrengung.

Sprachverständnisstörungen

Sprachverständnisstörungen können in ihrem Ausprägungsgrad sehr unterschiedlich sein und sich sowohl auf die Lautstruktur der Sprache als auch auf den inhaltlichen Gehalt oder den Satzbau auswirken.

2. Störungen der Schriftsprache

Lesen

Es können folgende Fehlerarten auftreten:

  • Einzelne Schriftzeichen können nicht sicher in Laute umgesetzt werden.
  • Wörter werden mit anderen Wörtern visuell/phonologisch verwechselt (z.B. Kanne – Tanne).
  • Wörter werden mit semantisch ähnlichen Wörtern verwechselt (z.B. König – Fürst).
  • Es kann außerdem die Fähigkeit zum Lesesinnverstehen gestört sein.

Schreiben

Beim Schreiben können ähnliche Fehler wie beim Lesen auftreten:

  • Einzelne Laute können nicht sicher in Schriftzeichen umgesetzt werden.
  • Das Zielwort wird mit einem anderen phonologisch/visuell ähnlichen Wort verwechselt.
  • Statt des Zielworts wird ein semantisch ähnliches Wort geschrieben.
  • Manche Aphasiker schreiben gut, ohne dass sie den Sinn des Geschriebenen erfassen können.

Neuropsychologische Begleiterscheinungen

Außerdem können folgende nichtsprachliche Symptome die Kommunikation zusätzlich beeinträchtigen:

  • Halbseitenlähmung (Hemiplegie/Hemiparese)
  • Gesichtsfeldausfall (Hemianopsie)
  • Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen
  • Gedächtnisstörungen und Antriebsstörungen
  • Wahrnehmungsstörungen
  • Rechenstörung (Dyskalkulie)

Ziel der logopädischen Behandlung

Das allgemeine Behandlungsziel ist, dem Aphasiker sprachliche Kommunikation im Alltag wieder zu ermöglichen. Da eine sprachliche Rehabilitation im Sinne einer wirklichen Heilung meist nicht möglich ist, muss der Patient lernen, mit seinen reduzierten sprachlichen und/oder gestischen Ausdrucksmöglichkeiten Gesprächssituationen zu bewältigen. Es werden nicht Wörter bzw. Sätze gelernt, sondern Sprachprozesse aktiviert und reorganisiert. Der Erfolg der logopädischen Therapie kann daher nicht nur an der Verbesserung der linguistischen Fertigkeiten des Patienten gemessen werden. Von entscheidender Bedeutung ist die Verbesserung der kommunikativen Kompetenz des Patienten, die sich positiv auf dessen allgemeine Lebensqualität auswirkt.

Behandlungsformen

Vor jeder Behandlung wird eine der Störung und dem Leistungsvermögen des Patienten oder der Patientin entsprechende logopädische Diagnostik durchgeführt, welche die sprachliche und kommunikative Leistung der Betroffenen umfasst. Danach werden entsprechende Therapieziele festgelegt, und die Behandlung wird in Einzeltherapie begonnen. Parallel dazu wird Angehörigenberatung durchgeführt. Gegebenenfalls findet die Therapie in Intervallen und/oder als Intensivtherapie statt. Bei Transport- oder Gehunfähigkeit kann die Behandlung im häuslichen Bereich des Patienten erfolgen.

Zielbereiche

  • Wahrnehmung
  • Sprachverständnis
  • Sprachproduktion (Wortfindung, Grammatik, Aussprache)
  • Lesen/Schreiben
  • Störungsspezifische kognitive Fähigkeiten
  • Störungsspezifische Krankheitsverarbeitung
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Hilfsmittelversorgung

Zeitpunkt und Dauer der Behandlung

Die logopädische Therapie sollte so frühzeitig wie möglich beginnen, d.h. schon in der Akutphase, sobald es der Allgemeinzustand des Patienten erlaubt. Eine Therapieeinheit beträgt in der Regel 45 Minuten. In Einzelfällen sind auch Therapieeinheiten von 30 oder 60 Minuten sinnvoll (in Abhängigkeit von der Therapiehäufigkeit und dem Leistungsvermögen des Patienten). Die wöchentliche Therapiefrequenz ist abhängig vom

Allgemeinzustand des Patienten und der Phase der Erkrankung und beträgt i. d. R.:

Akutphase: 3-5 mal pro Woche

Rehabilitationsphase: 3-5 mal pro Woche

Konsolidierungsphase: 2-4 mal pro Woche

Langzeitbehandlung: 1-2 mal pro Woche

Quelle: dbl

Schluckstörungen bei Erwachsenen

Schluckstörungen/Dysphagien sind Beeinträchtigungen oder Behinderungen des Schluckens und/oder der oralen Nahrungsaufnahme. Sie entstehen durch strukturelle Veränderungen im Mund- und/oder Halsbereich oder durch neurologische Störungen.

Ursachen

Schluckstörungen /Dysphagien können auftreten in Zusammenhang mit:

  • Schlaganfall (Ischämischer Insult, Hirnblutung)
  • Schädel – Hirn – Trauma
  • Tumoren (Hirntumore, Oropharynxtumore)
  • Operationen im Kopf-/Halsbereich
  • entzündlichen Prozessen im Gehirn (z.B. Enzephalitiden)
  • Cerebralparesen (z.B. Spastiken)
  • Intubationsschäden
  • Komplikationen im Verlauf intensivpflichtiger Maßnahmen (z.B. bei Intubationsschäden, Tracheal-
  • kanülenpflicht)
  • Erkrankungen/Verletzungen des Rückenmarks
  • degenerativen Erkrankungen (z.B. Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Multiple Sklerose, Parkinson, Demenz)

Leitsymptome der Schluckstörungen/Dysphagien:

Störungen des Schluckvorgangs in der oralen Phase (Mundraum):

  • Austritt von Speichel und/oder Nahrung aus der Mundhöhle
  • veränderte Sensibilität im Mundraum (dadurch unter Umständen Verbleiben von Nahrungsresten im Mundraum)
  • eingeschränkte Kieferbeweglichkeit und -kraft
  • Probleme beim Nahrungstransport mit der Zunge
  • zum Teil übersteigerte orale Reflexe (z.B. Beißreflex, Würgreflex)

Störungen des Schluckvorgangs in der pharyngealen Phase (Rachen):

  • fehlender Abschluss zum Nasenraum (Gaumensegelschwäche)
  • eingeschränkte Funktion der Schlundmuskulatur (zu spät ausgelöste Reflexe, fehlende Reflexe)
  • eingeschränkte Kehlkopfbewegung
  • Speichel- oder Nahrungseintritt in die unteren Luftwege durch fehlende Schutzreflexe (Verschlucken mit Husten, Niesen, Würgen und/oder Erbrechen)
  • Nahrung bleibt im Pharynx (Rachen) hängen
  • gurgelnde Stimme, unter anderem als Hinweis auf stille Aspiration (unbemerktes Verschlucken)
  • Probleme bei der Öffnung der Speiseröhre zum Nahrungseintritt

Störungen des Schluckvorgangs in der ösophagealen Phase (Speiseröhre)

  • Behinderung des Nahrungstransportes in der Speiseröhre (Verengung der Speiseröhre, Bewegungsstörung)

Weitere Aspekte bei Schluckstörungen

Die Konsistenz der Nahrung (flüssig, fest, breiig) stellt unterschiedliche Anforderungen an den Schluckvorgang:

  • Das Schlucken von Flüssigkeiten ist oft problematisch, da Flüssigkeiten sehr schnell fließen, das Auslösen des Schluckens bei Patienten mit Schluckstörungen aber oft verzögert ist.
  • Das Bewältigen von fester Nahrung stellt hohe Anforderungen an die oralen Fähigkeiten (Kraft, Koordination, Zerkleinern der Nahrung, Transport der Nahrung).
  • Das Schlucken breiiger Nahrung stellt in der Regel den geringsten Schwierigkeitsgrad dar.
  • Eine optimale Körperhaltung ist die beste Voraussetzung für Patienten mit einer Schluckstörung.
  • Die Nahrungsaufnahme sollte in einer angenehmen, ruhigen Situation stattfinden können.
  • In manchen Fällen ist (zusätzlich) Sondenernährung erforderlich.

Nichtbehandelte Schluckstörungen könnenlebensbedrohliche Folgen haben:

  • Mangelernährung
  • Dehydratation (Flüssigkeitsmangel)
  • Erkrankungen der Mundschleimhaut
  • Fieber
  • Bronchitiden
  • Lungenentzündungen

Beim Verschlucken können Flüssigkeiten/Nahrungspartikel in die Luftröhre und somit in die Lunge geraten. Dies kann zu Lungenentzündungen führen. Beim Verschlucken von Nahrung besteht Erstickungsgefahr.

Ziel der logopädischen Behandlung

Oberstes Ziel ist die sichere orale Ernährung. Essen und Trinken zu können ist eine wichtige Aktivität des täglichen und sozialen Lebens und in Hinblick auf elementare Lebensqualität von unschätzbarer Bedeutung.

Behandlungsziele sind:

  • Aufbau und Verbesserung natürlicher Bewegungsabläufe
  • Ausnutzung, Verbesserung bzw. Veränderung von Restfunktionen
  • Abbau krankhafter Bewegungabläufe
  • ggf. die Änderung ungünstiger Bewegungsabläufe beim Essen und Trinken
  • ggf. diätetische Maßnahmen und Einsatz von Ess-/Trinkhilfen

Behandlungsformen

Vor jeder Behandlung wird eine der Störung des Patienten/der Patientin entsprechende Diagnostik auf medizinischer und funktioneller Ebene durchgeführt. Danach beginnt die Behandlung in Einzeltherapie und wird durch Angehörigenberatung, ggf. Anleitung der Angehörigen bzw. Pflegenden, ergänzt. Bei Transport- oder Gehunfähigkeit kann die Behandlung im häuslichen Bereich des Patienten erfolgen.

Zielbereiche

  • Schluckmotorik/selbstständige Nahrungsaufnahme
  • Störungsspezifische kognitive Fähigkeiten
  • Störungsspezifische Krankheitsverarbeitung
  • Hilfsmittelversorgung
  • Regulierung der Muskelspannung (Tonus)
  • Haltung/Positionierung
  • Atmung
  • Wahrnehmung

Zeitpunkt und Dauer der Behandlung

Die logopädische Therapie sollte so frühzeitig wie mög lich beginnen, d. h. schon in der Akutphase, sobald es der Allgemeinzustand des Patienten erlaubt. Eine Therapieeinheit beträgt in der Regel 45 Minuten. Oft sind auch Therapieeinheiten von 30 oder 60 Minuten sinnvoll (in Abhängigkeit von der Therapiehäufigkeit und dem Leistungsvermögen des Patienten). In vielen Fällen empfiehlt sich eine Abstimmung von Therapie und regulärer Mahlzeit. Die wöchentliche Therapiefrequenz ist abhängig vom Allgemeinzustand des Patienten und der Phase der Erkrankung und beträgt i. d. R.:

Akutphase:mindestens 1 mal täglich

Rehabilitationsphase:5 mal pro Woche

Konsolidierungsphase:2-4 mal pro Woche

Langzeitbehandlung:1-2 mal pro Woche

Quelle: dbl

Sprechstörungen bei Erwachsenen

Sprechstörungen im Erwachsenenalter sind zentral oder peripher bedingte motorische Störungen der ausführenden Sprechorgane. Sie äußern sich in mangelnder Artikulationsgenauigkeit und – geschwindigkeit und/oder durch Störungen im Sprechablauf (Stottern, Poltern). Man kann Sprechstörungen mit Problemen der Artikulation und Sprechstörungen mit Problemen des Sprechablaufs (Redeflussstörungen) unterscheiden.

Ursachen

Bei folgenden Grunderkrankungen/Ursachen können Sprechstörungen auftreten:

Störungen der Sprechmotorik:

  • Cerebrale Durchblutungsstörungen/Schlaganfall,
  • Schädel-Hirn-Traumata
  • Hirntumore
  • Hirnoperationen
  • Cerebrale entzündliche Prozesse (z.B. Enzephalitis)
  • Morbus Parkinson
  • Bulbärparalysen
  • Multiple Sklerose
  • Amyotrophe Lateralsklerose
  • Myastenia gravis
  • Ataxien, Dystonien
  • lokale organische Schädigungen

Störungen des Redeflusses:

  •  Audiogene Ursachen
  • Genetische Ursachen
  • Psychische Ursachen
  • Traumatische Ursachen
  • Neurologische Ursachen
  • Multifaktorielle Ursachen

Erscheinungsformen

Dysarthrie/Dysarthrophonie

Dysarthrien/Dysarthrophonien sind Störungen in der Ausführung von Sprechbewegungen aufgrund kortikaler bzw. subkortikaler Läsionen, die sowohl in der rechten als auch in der linken Hemisphäre des Gehirns, im Kleinhirn, im Hirnstamm und in den die Sprechmuskulatur versor genden Nerven auftreten können. Die Begriffe Dysarthrie und Dysarthrophonie werden z.Z. synonym gebraucht.

Leitsymptome bei Dysarthrie/Dysarthrophonie

Vermehrter oder verminderter Speichelfluss, gestörte Atemkontrolle, verminderte Atemkapazität, verlangsamte/eingeschränkte Beweglichkeit von Lippen, Zunge, Gaumensegel und Kiefer, veränderte Lautbildung/Artikulation, undeutliche Aussprache, Näseln, veränderter Stimmklang, eingeschränkte Prosodie (Sprechmelodie), veränderte Lautstärke, veränderter Sprechrhythmus.

Sprechapraxie

Sprechapraxien sind Störungen der Planung der Sprechmotorik, die nicht durch eine Funktionseinschränkung der am Sprechakt beteiligten Organe zu erklären sind. Es handelt sich vielmehr um eine Störung in der Planung der Sprechmotorik. Es besteht fast immer eine Kombination mit einer Aphasie (Sprachstörung).

Leitsymptome bei Sprechapraxie

Auffälligkeiten in der Lautbildung mit hoher Variabilität der Fehler, artikulatorische Suchbewegungen, deutliche Sprech anstrengung; unwillkürliche Bewegungsmuster können besser realisiert werden als willkürliche Sprechleistungen.

Audiogene Sprechstörungen

Audiogene Sprechstörungen sind Artikulationsstörungen infolge fehlender Rückkopplung bei hochgradiger Schwerhörigkeit oder Taubheit.

Leitsymptome der audiogenen Sprechstörung

Undeutliche Aussprache, veränderter Stimmklang, fehlende Lautstärkeregulierung.

Störungen im Sprechablauf, Redeflussstörungen:

Stottern

Leitsymptome bei Stottern

Kernsymptome: unfreiwillige Wiederholungen von Teilwörtern, Silben oder Lauten, Dehnungen von Lauten und/oder Blockierungen von Wörtern.

Begleitsymptome: z.B. Sprechangst, Vermeidungsverhalten, Körpermitbewegungen, Einschieben von Füllwörtern. Art und Ausmaß des Stotterns sind situationsabhängig und können großen Schwankungen unterworfen sein. Stotternde leiden häufig unter ausgeprägtem Störungsbewusstsein. Begleitsymptome resultieren aus dem Versuch, die eigentlichen Stottersymptome zu überwinden und sind erlernt.

Poltern

Leitsymptome bei Poltern

Schnelle, überhastete Sprechweise, undeutliche Aussprache in Folge eines Missverhältnisses der motorischen Sprechfertigkeit zum Sprechtempo, häufig Auslassung

unbetonter Silben. Menschen, die poltern, haben in der Regel kein sehr ausgeprägtes Störungsbewusstsein.

Ziel der logopädischen Behandlung

Das allgemeine Behandlungsziel ist, dem Patienten sprachliche Kommunikation im Alltag wieder zu ermöglichen bzw. die sprechmotorischen Fertigkeiten des Patienten zu stabilisieren, zu verbessern oder zu normalisieren.

Da eine sprachliche Rehabilitation im Sinne einer wirklichen Heilung bei neurologisch bedingten Sprechstörungen oft nicht möglich ist, müssen diese Patienten lernen, mit ihren reduzierten sprechmotorischen und/oder gestischen Ausdrucksmöglichkeiten sowie mit Hilfe der Schriftsprache und/oder technischen Hilfsmitteln Gesprächssituationen zu bewältigen.

Der Erfolg der logopädischen Therapie kann nicht nur an der Verbesserung der artikulatorischen Fertigkeiten und der Sprechflüssigkeit des Patienten gemessen werden. Von entscheidender Bedeutung ist die Verbesserung der kommunikativen Kompetenz des Patienten, die sich positiv auf dessen allgemeine Lebensqualität aus wirkt.

Behandlungsformen

Vor jeder Behandlung wird eine der Störung und dem Leistungsvermögen des Patienten/der Patientin entsprechende logopädische Diagnostik durchgeführt. Danach wird die Behandlung in Einzeltherapie begonnen und parallel dazu Angehörigenberatung durchgeführt. Gegebenenfalls findet die Therapie in Intervallen und als Intensivtherapie statt. Bei Transport- oder Gehunfähigkeit kann die Behandlung im häuslichen Bereich des Patienten durchgeführt werden.

Zielbereiche

  • Wahrnehmung
  • Atmung
  • Haltung/Tonusregulierung
  • Sprechmotorik
  • Artikulation/Lautbildung
  • Phonation
  • Sprechablauf
  • Störungsspezifische kognitive Fähigkeiten
  • Störungsspezifische Krankheitsverarbeitung
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Hilfsmittelversorgung

Zeitpunkt und Dauer der Behandlung

Die logopädische Therapie sollte so frühzeitig wie möglich beginnen, d.h. bei neurologischen Erkrankungen schon in der Akut- bzw. Anfangsphase, sobald es der Allgemeinzustand des Patienten erlaubt.

Eine Therapieeinheit beträgt in der Regel 45 Minuten (plus Vor- und Nachbereitungszeit). In Einzelfällen sind auch Therapieeinheiten von 30 Minuten oder 60 Minuten sinnvoll (in Abhängigkeit von der Therapiehäufigkeit und der Konzentrationsfähigkeit des Patienten).

Teilweise werden auch Intensivtherapien (tägliche Therapieeinheiten) durchgeführt. Die Häufigkeit der Therapie pro Woche ist abhängig vom Allgemeinzustand des Patienten und der Phase der Erkrankung:

Akutphase: 3-5 mal pro Woche

Rehabilitationsphase: 3-5 mal pro Woche

Konsolidierungsphase: 2-4 mal pro Woche

Langzeitbehandlung: 1-2 mal pro Woche

Im Allgemeinen ist eine Sprechtherapie ein langer und zeitaufwändiger Prozess, der von einigen Monaten bis hin zu mehreren Jahren dauern kann.

Quelle: dbl

Stimmstörungen bei Erwachsenen

Stimmstörungen bei Erwachsenen können organisch oder funktionell bedingt sein. Sie stehen immer in engem Zusammenhang mit Faktoren der Persönlichkeit und des Umfeldes des Patienten. Sie können durch Veränderungen im Stimmklang, in der Prosodie (Sprachmelodie), in der Belastbarkeit und durch Missempfindungen bis hin zu Schmerzen gekennzeichnet sein.

Neben der gestörten Sprechstimme kann auch die Singstimme eingeschränkt sein. Jede Heiserkeit, die länger als 4-6 Wochen dauert, sollte ärztlich untersucht werden.

Ursachen

Bei folgenden Grunderkrankungen/Ursachen können Stimmstörungen auftreten:

Funktionell bedingte Störungen der Stimme

  • habituell (durch Gewohnheit erworben)
  • konstitutionell (Veranlagung)
  • ponogen (durch Überlastung erworben)
  • psychogen

Organisch bedingte Störungen der Stimme

  • entzündliche Erkrankungen (z.B. chronische Laryngitis)
  • sekundär organische Veränderungen der Stimmlippen/des Kehlkopfes (z.B. Schreiknötchen, Phoniationsverdickungen, Ödeme, Teilresektion)
  • traumatische Veränderungen des Kehlkopfes
  • Fehlbildungen des Kehlkopfes (z.B. Kehlkopfasymmetrien, Stimmlippenlähmung)
  • Entfernung des Kehlkopfes (Laryngektomie)

Erscheinungsformen

Funktionelle Störungen der Stimme

Es handelt sich um Krankheiten der Stimme, bei denen der Stimmklang gestört und/oder die stimmliche Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Menschen in sprechintensiven Berufen sind hiervon besonders betroffen.

Leitsymptome hyperfunktioneller Störungen

Die Stimme kann heiser, rau, gepresst oder verhaucht bis aphon (tonlos) sein. Weitere Merkmale können eine Beeinträchtigung der Belastbarkeit mit schneller Stimmermüdung und/oder eine Störung der Sprechstimmlage sein (zu tief, zu hoch) Als weitere Begleitsymptome finden sich häufig Fehlhaltungen, unphysiologische Atmung, hörbares Einatemgeräusch bzw. erhöhtes Sprechtempo. Es können auch Missempfindungen wie Kratzen, Trockenheits- und /oder ein Fremdkörpergefühl im Rachenbereich auftreten.

Leitsymptome hypofunktioneller Störungen

Die Stimme klingt leise und behaucht mit geringer Steigerungsfähigkeit und matter Klangfarbe. Der Muskeltonus ist sowohl im Kehlkopfbereich als auch ganzkörperlich herabgesetzt. 

Organische Störungen der Stimme

Als organische Stimmstörung bezeichnet man Erkrankungen, bei denen eine organische Veränderung im Bereich des Stimmapparates vorliegt, welche den normalen Funktionsablauf behindert. Die schwerwiegendeste Form der organischen Stimmstörung ist die Entfernung des gesamten Kehlkopfes (Laryngektomie) nach Kehlkopfkrebs.

Leitsymptome organischer Stimmstörungen

Die Leitsymptome entsprechen denen der funktionellen Stimmstörungen. Sie können unter Umständen stärker ausgeprägt sein.

Störungen der Gesangsstimme (Dysodie)

Bei regelmäßiger Benutzung der singstimme im Beruf oder in der Freizeit kann es ebenso wie bei der sprechstimme zu Störungen in der Leistungsfähigkeit und in der klangqualität der Stimme kommen. Dies ist oft verbunden mit hohem Leidensdruck (drohender Verlust der Berufsfähigkeit)

Laryngektomie

Laryngektomie bedeutet die operative Entfernung des Kehlkopfes bei ausgedehnteren Tumoren. Der Patient hat keine Stimme mehr. Er muss eine Ersatzstimmfunktion erwerben. Das Fehlen der Stimme verbunden mit der Grunderkrankung erzeugt einen hohen Leidensdruck und erfordert eine umfassende interdisziplinäre Nachsorge. Therapeutisch gibt es verschiedene Möglichkeiten einer Ersatzstimme: Oesophagusstimme („Rülpsstimme“), Elektrolarynx (elektronische Sprechhilfe).

Rhinophonie (Näseln)

Unter Rhinophonie versteht man Störungen des Stimmklangs durch eine zu geringe (Rhinophonia clausa/geschlossenes Näseln) oder übermäßige (Rhinophonia aperta/offenes Näseln) Nutzung des nasalen Klangraumes. Rhinophonien treten als organische Störungen bei Lähmungserscheinungen des Velums (Gaumensegels), bei Lippen-Kiefer-Gaumen-Spalten oder als funktionelle Störungen auf. In Verbindung mit funktionellen Störungen der Luftstromführung treten Veränderungen der Artikulation auf.

Ziel der logopädischen Behandlung

Behandlungsziel der logopädischen Therapie ist die Wiedererlangung und Stabilisierung optimaler stimmlicher Kommunikationsfähigkeit. Dies betrifft insbesondere den Transfer der in der Therapie erarbeiteten Inhalte in den Alltag und/oder den Erhalt/die Wiederherstellung der Berufsfähigkeit. Dabei ist die zugrunde liegende Erkrankung zu berücksichtigen.

Behandlungsformen

Vor jeder Behandlung wird eine der Störung entsprechende Diagnostik durchgeführt. Danach werden mit dem Patienten gemeinsam die Therapieziele festgelegt. Die Behandlung wird i.d.R. als Einzelbehandlung durchgeführt. Zur beruflichen Wiedereingliederung können „in-vivo-Behandlungen“ erforderlich sein. Unter Umständen ist eine Beratung der Angehörigen erforderlich.

Zielbereiche

  • Wahrnehmung
  • Atmung
  • Haltung/Tonusregulierung
  • Sprechmotorik/Sprechgestaltung/Artikulation
  • Phonation
  • Störungsspezifische Krankheitsverarbeitung
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Hilfsmittelversorgung

Zeitpunkt und Dauer der Behandlung

Die logopädische Therapie sollte so früh wie möglich beginnen.
Eine Therapieeinheit am Patienten beträgt in der Regel 45 Minuten. In Einzelfällen sind auch Therapieeinheiten von 30 oder 60 Minuten sinnvoll (in Abhängigkeit von der Therapiehäufigkeit und auch von der Störung des Patienten). Teilweise werden auch Intensivtherapien (tägliche Therapieeinheiten) durchgeführt. Die Häufigkeit der Therapie pro Woche ist abhängig vom Störungsbild sowie vom Allgemeinzustand des Patienten und sollte in der Regel mindestens 2x pro Woche betragen.

Quelle: dbl

Hochbegabte Kinder – eine Herausforderung im pädagogischen Alltag


Hochbegabte Kinder unterscheiden sich erst einmal nicht von anderen, sie können jedoch z.B. sehr wissensdurstig, willensstark und diskutierfreudig sein und Pädagogen gezielt an ihre Grenzen bringen. Die Chancen und Problembereiche in der Entwicklung hochbegabter Kinder werden vorgestellt. Anhand Forder- und Fördermaßnahmen der Begabungspädagogik, die die Stärken der Kinder berücksichtigen, können sinnvolle Interventionsmöglichkeiten für Elternhaus und Kindertagesstätte aufgezeigt werden.

  • Theoretische Grundlagen
    • Intelligenzentwicklung
    • Merkmale von Hochbegabung
    • Chancen, Risiken und Problembereiche hochbegabter Kinder 
    • Begabungsmodelle
  • Hochbegabtenförderung
    • Interventionsmöglichkeiten mit pädagogischem und psychologischem Schwerpunkt
  • Die Förderung der Beziehung zum hochbegabten Kind

Hochbegabte Kinder in der logopädischen Therapie

Hochbegabte Kinder unterscheiden sich erst einmal nicht von anderen, sie können jedoch z.B. sehr wissensdurstig, willensstark und diskutierfreudig sein und Therapeuten gezielt an ihre Grenzen bringen. Manche Kinder können in einigen Bereichen, insbesondere dem Sprachlichen, unter Umständen sehr weit entwickelt sein. Wenn sie im emotional-sozialen Bereich dann altersgemäß entwickelt sind, wirken sie im Gegensatz zu der gezeigten Begabung oftmals besonders „zurück“. Eine Hochbegabung wird dann auch von den eigenen Eltern unter Umständen nicht gesehen oder ernst genommen.

In diesem Seminar geht es darum, einige Merkmale, die hochbegabte Kinder zeigen können, kennenzulernen, um hochbegabte Kinder erkennen zu können und für die besonderen Bedürfnisse dieser Kinder sensibilisiert zu werden. Es werden verschiedene Begabungsmodelle, Lerndispositionen sowie die Chancen und Problembereiche in der Entwicklung hochbegabter Kinder in Kindergarten- und Schulalter vorgestellt.

Anhand von bewährten Forder- und Fördermaßnahmen der Begabungs- und Begabtenpädagogik, die die Stärken der Kinder berücksichtigen, können sinnvolle Interventionsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die bekannteste dieser Methoden ist das Enrichment, die Anreicherung. Gemeinsam erarbeiten wir Transfermöglichkeiten für die logopädische Therapie.

Weiteres Thema sind die speziellen Bedingungsfaktoren hochbegabter Schulkinder mit LRS, die sich weder mit den bisherigen LRS-Theorien noch mit den vorhandenen Hochbegabungstheorien hinreichend erklären lassen. Aufgrund von nicht synchron verlaufenden Entwicklungsprozessen, die z.B. dazu führen, dass die Schreibmotorik den schnellen Denkvorgängen nicht hinterherkommt, kann es zu gleichzeitiger Unter- und Überforderung kommen.

Weiteres Thema wird die Angehörigenberatung und die speziellen Bedürfnisse von Eltern hochbegabter Kinder sein. Da diese mit ihren Kindern vielfach anecken, ist eine behutsame Begleitung notwendig, damit sie wieder Mut schöpfen können. Zuversichtliche Eltern, die die besonderen Förder- und Fordermöglichkeiten verstehen, verhelfen ihren Kindern zu einer Umwelt, in der sich ihr Potential entfalten kann.  Ein besonders wirksamer Zugang in der Begleitung von Kindern und ihren Eltern zeigt sich in der Erforschung unserer eigenen Selbstkompetenzen.

Seminarinhalte:

– Hochbegabung: Modelle und Definitionen
– Chancen und Problembereich
– Hochbegabtenförderung und -motivation
– Hochbegabung und LRS
– Beziehung und Kommunikation
– Elternberatung
– Selbstkompetenzen

Welche Haltung brauchen Erzieher?


Durch meine Arbeit in der Kita-Weiterbildung stehe ich in regem Erfahrungsaustausch mit pädagogischen Fachkräften aller Altersgruppen. Ich erlebe in den Formaten, in denen ich mit Erzieherinnen bzw. sozialpädagogischen Assistentinnen oder Tagesmüttern etc. Kontakt habe, diese als hoch motiviert und engagiert und lebe – ohne Übertreibung – in genereller Hochachtung vor der Arbeit, die sie (und ihre männlichen Kollegen natürlich auch) an unseren Kindern leisten.

Ich weiß selbst, dass ich als Logopädin das Privileg einer Eins-zu-eins-Betreuung genießen kann und dass allein der in den Kitas herrschende Lärmpegel mir zu schaffen machen würde.

Allerdings scheinen viele Teilnehmerinnen meiner Seminare oder Studientage einem starken Spannungsfeld ausgesetzt zu sein: Immer wieder wurde mir beschrieben, wie manche sich täglich das Trinken verwehrten, um später nicht auf die Toilette gehen zu müssen, da sie wegen der herrschenden Aufsichtspflicht die Gruppe nicht verlassen dürften, in der sie zum Teil mit über zwanzig Kindern allein seien.

Wenn ich in Fortbildungsdesigns, die über eine Einzelveranstaltung hinaus gingen, die Möglichkeit hatte, selbst gewählte Hausaufgaben wie das Ausprobieren eines bestimmten Beobachtungsbogens, die Praxis des Aktiven Zuhörens oder eine kurze Zeitlupenbeobachtung zu geben, so konnten diese trotz hoher Motivation selbst bei einer drei- oder vierwöchigen Pause zwischen den Qualifizierungsmaßnahmen in den seltensten Fällen durchgeführt werden. Meist war durch Krankheit oder Urlaub die eine Kollegin ausgefallen, die in den erforderlichen zehn Minuten das „Tagesgeschäft“ hätte übernehmen können. Gleichzeitig wurde mir regelmäßig die Frage gestellt, ob ich nicht auch aus meiner Praxis bestätigen könnte, dass Kinder heute (sprachlich und insgesamt) „auffälliger“ und Eltern (Stichwort „Helikoptereltern“) „schwieriger“, „unsicherer“ und „behütender“ geworden seien.


Dies ließ in mir zunehmend die Frage aufkeimen, ob die alleinige gemeinsame Erarbeitung einer ressourcenorientierten und entwicklungsförderlichen Haltung mit einem positiven Blick den den Kindern gegenüber – die immer wiederkehrendes Thema in den Seminaren sind – überhaupt ausreichend sei, damit  Erzieherinnen eine zufriedenstellende (und im Sinne von Prävention gesunderhaltende) Arbeit leisten können?

Neben den derart aufgeworfenen Themen wie „Äußere Rahmenbedingungen“ und „Möglichkeiten zur Selbstfürsorge“ hörte ich von einer veränderten Sicht auf Dinge, die früher in ihrer Arbeit selbstverständlich gewesen seien. So berichteten einige zum Beispiel, dass sie keine echten Geburtstagskerzen mehr anzünden dürften. Hierin spiegelt sich meines Erachtens nicht nur eine veränderte Beziehung zu den Eltern wider, deren Beschwerden durch solche Interventionen zu verhindern versucht werden, sondern zeigt sich gleichfalls ein gesellschaftlicher Trend, sich abzusichern und kein Risiko einzugehen, welcher ausdrückt, dass niemand die mehr Konsequenzen tragen wolle, die sich aus einer Verantwortungsübernahme ergeben. Pädagogische Fachkräfte scheinen also vielfältigen „Veränderungsprozessen“ zu unterliegen.

Um zu einer ganzheitlichen Sicht zu kommen, in der die Inhalte meiner Seminare überhaupt wirksam sein können, war es für mich erforderlich, die verschiedenen Strömungen in der Pädagogik herauszuarbeiten, mit denen pädagogische Fachkräfte aktuell konfrontiert sind. Es geht es daher auch um relevante aktuelle Veränderungen in der Bildungspolitik. Um die speziellen Bedürfnisse der Erzieherin selbst zu  berücksichtigen, musste ich mich mit Persönlichkeitstheorien beschäftigen, in denen das Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit eine zentrale Rolle spielen. Hierbei ist die Bereitschaft, die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln, bestimmend.

Dazu gehören Faktoren wie Grundhaltungen und Werte, Kommunikation und Verhalten, Ressourcen und Stärken, die mir in diesem Zusammenhang wichtig sind.

Veränderungsprozesse in der Pädagogik

Hartmut Marsch gibt in seiner wunderbaren Dissertation „Das Prinzip Verantwortung als Handlungsorientierung im Feld öffentlicher Erziehung“ einen historischen Abriss der Pädagogik.

„Erziehung und Politik sind untrennbar miteinander verwoben“. 

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Entwicklung der aufkeimenden Reformpädagogik durch die beiden Weltkriege gebremst wurde. Erst durch die Studentenbewegung der 1960er Jahre wurde eine Weiterführung dieser Arbeit ermöglicht. Das Ende der Nachkriegszeit seit 1989 brachte eine Perspektivenerweiterung von in der Wissenschaft längst bestehenden Ansätzen auch in der Pädagogik. Die zunehmende Digitalisierung hatte den Anstoß zu Hirnforschung, Genforschung und Kybernetik gegeben und das Systemische Denken daraus erwachsende Kommunikationstheorien gebracht, außerdem wurde zunehmend eine Ressourcenorientierung thematisiert. In der aktuelleren Entwicklung  gewann der frühkindliche Bildungsbereich nach dem PISA-Schock im Jahre 2000 enorm an Aufmerksamkeit und Bedeutung. In allen Bundesländern wurden ab 2004 Bildungsprogramme, Bildungspläne oder Bildungsempfehlungen erarbeitet und zur verbindlichen Arbeitsgrundlage, wodurch Kindertageseinrichtungen zu Institutionen mit einem umfassenden Bildungsauftrag aufgewertet wurden. Zusätzlich wurde 2007 der Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren beschlossen und seit 2013 der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr verankert.

Der Bedarf des quantitativen Ausbaus von Betreuungsplätzen vernachlässigte vor dem Hintergrund der veränderten Anforderungen die tatsächliche Situation in den Einrichtungen. Die strukturellen Rahmenbedingungen wurden vielerorts kaum entsprechend entwickelt und angepasst, beispielsweise beim Betreuungsschlüssel, welches in der Praxis zu den eingangs beschriebenen handfesten Umsetzungsproblemen führen kann.

Weiterhin wurde traditionelle Elternarbeit im Sinne der Gestaltung von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften völlig neu konzipiert. Es fehlen jedoch oftmals strukturell Zeiten für die Vor- und Nachbereitung und für eine intensive Elternarbeit. Der Wandel in der Sicht auf die Elternarbeit kollidiert mit der gefühlten Tendenz, dass Eltern ihren Kindern heutzutage viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken in der Lage sind, welches überspitzt von der bayerischen Kabarettistin Monika Gruber auf den Punkt gebracht wurde:

„Wenn wir mal in der Schule schlechte Noten g’habt haben, dann san mir von unsere Eltern g’schimpft worden und nicht unsere Lehrer“!

(Allerdings macht sie sich gleich im Folgesatz über Eltern lustig, die ihre Kinder für hochbegabt halten – ein Thema, über das ich mich in bereits in meinem Artikel über hochbegabte Kinder und Underachiever ausgelassen habe…)

(ab Minute 4:06)

Das Beobachten und Dokumentieren stellt heute eine zentrale Aufgabe dar. „Die wichtigsten Begriffe in der pädagogischen Praxis sind nicht mehr „Sprechen“, „Erklären“ und „Vermitteln“, sondern „Zuhören“, „Beobachten“ und „Dokumentieren“.

Schlagworte wie Inklusion und Partizipation bestimmen den pädagogischen Diskurs.

Der Wandel von Homogenität zu Diversität bedeutet, dass Kinder, die früher separiert wurden, nun berücksichtigt werden müssen.

„Inklusion ist eine Frage der Haltung“, titulierte die Hannoversche Allgemeine Zeitung, „Die Barrieren müssen weg. Die baulichen – die Treppen und Türen, die man mit dem Rollstuhl nicht bewältigen kann. Aber auch die Barrieren im Kopf“.

Jedoch nicht nur die Sicht auf Behinderungen zeigt sich verändert, ebenso gab es einen neuen Umgang mit Begabungen. Es werden nicht mehr nur besonders- oder hochbegabte Kinder in einer speziellen Begabtenförderung gefördert, sondern eine flächendeckende Begabungsförderung aller Kinder ist gefragt. Es fehlt Erzieherinnen jedoch an Kenntnissen in den einzuführenden Bildungsbereichen wie Naturwissenschaft, Mathematik, technischer Bildung, sprachlicher Förderung (neben der aktuellen Herausforderung, Flüchtlingskinder ohne deutsche Sprachkenntnisse aufnehmen zu müssen) und Literacy.

Eine Bertelsmann-Studie von 2006 benannte als weitere Fortbildungsbedarfe das Fehlen von Kenntnissen der Bedürfnisse von Kindern unter drei Jahren, ein überholtes Bild des Kindes und den Mangel an methodisch-didaktischen Kenntnissen für den Umgang mit Kindern im jüngeren Alter. Der auf allen Ebenen entstehende hohe Qualifizierungsbedarf treibt ebenfalls die Professionalisierung und Akademisierung voran. Anreize für die Teilnahme an Weiterbildung sowie soziale und finanzielle Anerkennung wurden jedoch nicht gefördert. Ein Ruf nach verbesserten Rahmenbedingungen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen wurde laut.

Der meines Erachtens wichtige positive Wandel, der sich aus den beschriebenen Veränderungen ergeben hat, ist das entstandene sogenannte „neue Bild vom Kind“ und das „neue Bild der Erzieherin“. Im infans-Konzept wird beschrieben, was das heißen kann: Das Kind wird als starke Persönlichkeit, Gestalter seiner eigenen Ziele und Beziehungen, als aktives und kompetentes Wesen, als Forscher, Entwickler und Spezialist seiner eigenen Fähigkeiten auf Augenhöhe betrachtet. Die Erzieherin wird als einfühlende Beobachterin und zugleich Beantworterin der Themen und Interessen der Kinder und somit gleichwertige Interaktionspartnerin, Begleiterin und Unterstützerin gesehen, die ihre eigene Selbstbildung und Bildungsbiografie kompetent reflektiert.

Ein „Paradigmenwechsel in der Fragestellung“ führte demnach weg von der direktiven „Ich bringe dir etwas bei-Haltung“ zu einer auf Augenhöhe forschenden Haltung der Ko-Konstruktion, die danach fragt, die Kinder zu verstehen. Bildung ist in diesem Sinne nicht mehr nur Kompetenzerwerb, sondern die Konstruktion und Aneignung der Welt durch das Kind selbst. Damit ist Erziehung die Antwort der erwachsenen Bezugspersonen auf diese Aneignungs- und Bildungsprozesse der Kinder geworden, die sich in der Gestaltung der Umwelt des Kindes und der Gestaltung der Interaktion mit ihm ausdrückt. Die Aufgabe der Betreuung ist somit nicht mehr nur, das Aufwachsen und Wohlergehen sicherzustellen, sondern es gilt, eine verlässliche Zuwendung in einer sicheren Bindung zu schaffen und Anregung zu bieten für alles, was Kindern einen Zugang zur Welt verschafft, sodass ein Wechselspiel von Anregung und Entfaltung erkennbar wird.

Es wird deutlich, dass alle genannten Faktoren eine professionelle Haltung voraussetzen, um nicht nur die formulierten Anforderungen zu erfüllen, sondern auch dem dahinter liegenden Selbstverständnis pädagogischer Professionalität entsprechen zu können. Von den Fachkräften wird heute ein hohes Maß an Selbstreflexion erwartet. Susanne Viernickel fasst zusammen: „Sie sollen offen und wertschätzend mit Verschiedenheit und den besonderen Bedürfnissen und Bedarfen aller Kinder und Familien umgehen (Diversity-Kompetenz), fachlich und ethisch begründet eigenverantwortlich handeln sowie fall- und situationsbezogen flexibel und sensibel agieren können“. Welche Bedingungen bestimmen eine solche Haltung?

Haltungsbestimmende Faktoren 

Um mehr darüber zu erfahren, habe ich eine umfassende Literaturrecherche gemacht, die ich im Folgenden hier zusammenfassen werde. Friedemann Schulz von Thun beschreibt im Gespräch mit Bernhard Pörksen treffend, wie stark die vielbeschriebene Haltung mit der Biographie verwoben ist:

„“Erziehung“ ist auch Nervensache, und das Nervenkostüm des Erziehers und die konkreten Lebensverhältnisse werden unweigerlich eine größere Rolle spielen als pädagogische Einsichten. Vieles, was Eltern und Lehrer tun, begründen sie hinterher „pädagogisch“, aber in Wahrheit konnten sie aus ihrer Haut nicht heraus“.

In einer Expertise zur Professionalisierung in der Frühpädagogik fasst Yvonne Anders  professionelle Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zusammen, zu denen „verschiedene Aspekte des Professionswissens, pädagogische Orientierungen und Einstellungen, motivationale und emotionale Aspekte, selbstregulatorische Fähigkeiten sowie Aspekte des professionellen Selbst- und Rollenverständnisses“ gehörten, die als Teilkomponenten der professionellen Haltung aufzufassen seien. Die entstehenden Aspekte des beruflichen Rollen- und Selbstverständnisses berühren auch Persönlichkeitsmerkmale wie Reflexionsfähigkeit zur Verbesserung des pädagogischen Handelns, Offenheit im Umgang mit der Ungewissheit im professionellen Handeln und der bewussten Entwicklung der Professionalität, die die Fähigkeit und den Willen zur Kommunikation umfasst.

U.a. Susanne Viernickel beschreibt sehr aussagekräftig drei Typen, wie mit den Herausforderungen, die die Veränderungsprozesse in der Pädagogik mit sich bringen, umgegangen werden könne.

Typ 1 sei der „wertekernbasierte Typ“, dem es darum ginge, eine pädagogische Grundorientierung in eine gelebte Praxis münden zu lassen und der somit dem aktuellen Bildungsverständnis sehr nahe komme.

Typ 2 sei der „umsetzungsorientierte Typ“, der sich aufopfere, unter dem Druck der hohen Verantwortung zusammenbreche und darunter leide, dass die ideellen Anforderungen, die er wirklich umsetzen wolle, aufgrund der äußeren Gegebenheiten zu pädagogischen Handlungsdilemmata führten.

Typ 3 wird als der „distanzierte Typ“ beschrieben, der die Veränderung ablehne und seine eigene habitualisierte Praxis verteidige um den Preis der Abwertung der Bildungsprogramme, und der an einem professionellen Selbstverständnis festhalte, das nicht mehr zum aktuellen Professionsverständnis passe.

Julia Schneewind schreibt, dass „Selbstwirksamkeit verstanden wird als die Fähigkeit eines Individuums, ein erwünschtes Ergebnis zu erzielen“. Hierbei besteht ein deutlicher Zusammenhang zur persönlichen Selbstwirksamkeitserwartung. Betrachtet man die oben beschriebenen drei Typen, so verdeutlicht sich, dass es hier eigentlich um das sogenannte „Mindset“ geht, die Grundeinstellung bzw. das  Selbstbild, mit dem die Betroffenen sich und die Welt betrachten. Carol Dweck beschreibt das statische versus dem dynamischen Selbst- und Weltbild.

Für Menschen mit einem statischen Selbstbild seien die Dinge in Stein gemeißelt, unveränderbar und fix. Sie haben kaum positive Selbstwirksamkeitserfahrungen und scheuen vor großen Herausforderungen, da ein Fehler oder sogar ein Scheitern auf ihr als negativ erlebtes So-Sein zurückgeführt werden könne. Sie identifizierten sich mit ihren Misserfolgen (Entitätstheorie) und haben daher ein geringes Selbstbewusstsein, da sie sich und anderen ihre Fähigkeiten in jeder Situation neu beweisen müssten, sich ständig selbst bewerteten und bewertet fühlten. Sie lebten in Konkurrenz mit anderen.

Menschen mit einem dynamischen Weltbild dagegen glaubten an Lernen und Entwicklung, kämen bei besonders großen Herausforderungen an ihre Hochleistung heran und erlebten große Selbstwirksamkeit, denn auch wenn sie scheiterten, könnten sie dem Sinn ihres Tuns noch etwas Positives abgewinnen. Daher könnten sie Fehlschlägen ehrlich ins Auge sehen, da sie es nicht persönlich nähmen und daran glaubten, sich beim nächsten Versuch verbessern zu können (Modifizierbarkeitstheorie). Sie seien von Neugier getrieben und lebten vielfach in einem Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen, da sie ihre Mitmenschen auf Augenhöhe erlebten.

U.a. Kuhl formulierte die Frage, ob es nicht nur von innen heraus möglich sei, seine Haltung zu verändern, sondern ob dies auch aufgrund gelebter Praxis geschehen könne. Dies lässt hoffen, dass die Umsetzung von Dwecks Forschungsergebnissen in der Pädagogik, die in vielerlei Fortbildungszweigen vermittelt werden, aufgrund der positiven Erfahrungen von pädagogischen Fachkräften schließlich auch zu einer langfristigen Veränderung des Mindsets führen könnten: Eine entwicklungsorientierte Haltung drückt sich nämlich sehr stark auch in einer bewussten dialogorientierten Kommunikation mit Kindern aus. Sprache stellt eine Querschnittsaufgabe der Bildung dar und was zu einem guten Sprachvorbild gehört, wird Erzieherinnen vielfach vermittelt.

Dass dies jedoch nicht nur in die Sprachentwicklung eingreift, sondern tiefergehende Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungsfähigkeit hat – diese Dimension ist nur wenigen bewusst. Insbesondere geht es um das Loben (und zwar nicht erst seit Carol Dweck; beispielhaft sei hier auch Thomas Gordons bekannte „Familienkonferenz“ von 1970 genannt).

Beim Loben ist – bezugnehmend auf das vorher aufgezeigte Mindset – wichtig, dass darauf geachtet wird, dass die Handlung und daraus ersichtliche (dynamische) Anstrengungsbereitschaft des Kindes ein positives Feedback erhält und nicht das Kind selbst mit der Zuschreibung einer (statischen) Eigenschaft. Auf diese Weise wird ein positives veränderliches Selbstbild sowohl in dem, der das Lob erhält, geschaffen, wie auch in der Person, die sich über die Formulierung eines solchen Lobes Gedanken macht. Drei Experimente von Mueller und Dweck stellen auf erschreckende Weise dar, wie schnell ein Mindset zum Negativen verändert werden kann.

  • Im ersten Experiment wurden Schüler der fünften Klasse nach einem Intelligenztest gelobt: 50 Prozent für ihre Intelligenz, 50 Prozent für ihre Anstrengung. Bevor sie einen zweiten IQ-Test machen sollten, wurde ihnen angeboten, ob sie noch eine neue Problemlösestrategie erlernen oder ihr Ergebnis lieber im Vergleich mit den anderen sehen wollten: Nur von der zweiten Gruppe entschied sich die Mehrheit dafür, noch etwas Neues dazuzulernen.
  • Im zweiten Experiment, mit der gleichen Ausgangslage, wurde jedoch vor dem zweiten Test angesagt, dass sie wählen könnten, ob sie einen schwereren machen wollten, in dem sie viel dazulernen würden, oder ob sie einen ähnlich leichten Test machen möchten wie den eben: 90 Prozent der Kinder, die für ihre Anstrengung gelobt wurden, wollten mehr lernen. Den anderen war das gute Abschneiden wichtiger.
  • Im letzten Experiment wurde erneut bei den Kindern jeweils zur Hälfte ein dynamisches und statisches Mindset hergestellt. Jetzt führten nach dem erfolgten Lob alle einen schwereren Test für zwei Jahre ältere durch. Die Kinder, die für ihre Anstrengung gelobt wurden, erklärten ihren Misserfolg damit, dass sie sich nicht genügend angestrengt und konzentriert hatten. Die anderen bezweifelten, ob sie wirklich so schlau wären, wie ursprünglich angenommen. In einem anschließenden dritten Intelligenztest schnitt die erste Gruppe signifikant besser ab als vorher, die zweite verschlechterte sich, obwohl im ersten ähnlichen Test alle vergleichbare Ergebnisse erzielt hatten.

Dies lässt aber ebenso den Umkehrschluss zu, dass es ebenso geringer Veränderungen in die positive Richtung bedarf, um bei Kindern große Wirkungen zu erzielen. Es empfiehlt sich also, eine generelle Wertschätzung mit Bezug zur Person, wie sie sich zum Beispiel zu Jungs in einem „Mann, bist du stark!“ und zu Mädchen in einer Bemerkung wie „Siehst du heute hübsch aus!“ ausdrücken könnte, bewusst in eine dialogorientierte Wertschätzung mit Bezug zur Aktivität des Kindes umzuwandeln: „Wie hast du das denn so schnell gemacht?“ oder „Wer hat denn diesen hübschen Zopf geflochten?“ kann somit nicht nur der Beginn einer wertschätzenden Unterhaltung sein, sondern auch noch verhindern, dass Kinder sich mit Äußerlichkeiten identifizieren.

Auch für den Blick auf die Kinder und Verhalten von Erzieherinnen kann das Mindset wichtig sein, wie in es der folgenden Tabelle von Ziegler in Bezug auf Begabungsförderung dargestellt wird.

Welche Haltung brauchen Erzieher

Abschließend möchte ich meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass jemand, der an die generelle Veränderbarkeit von Situationen glaubt und sich aktiv und motiviert bei seiner Arbeit einbringt, sich mit mehr Selbstfürsorge für seine eigenen Belange einsetzen kann. Ich hoffe sehr, dass auch meine Arbeit – mit der stetigen Einladung zur Reflexion – bei meinen Teilnehmerinnen zu einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen führen kann und somit der Gesundheit von pädagogischen Fachkräften und der positiven Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder dienen kann.

Reflexionstag für pädagogische Fachkräfte

Sie bestimmen den Fokus! Soll es um die bestmögliche Förderung der Kinder gehen?

Sprachförderung oder Entwicklungsförderung im Kita-Alltag – Eine Frage der Haltung

Soll es um Prävention und Selbstfürsorge der Erzieherinnen gehen?

Haltung entwickeln im Kita-Alltag

Dieser Workshop ist eine Einladung für pädagogische Fachkräfte, ihre pädagogische Haltung zu reflektieren und sich mit anderen darüber auszutauschen. Anhand von Methoden aus dem kunstorientierten Coaching bekommt jeder Teilnehmer die Möglichkeit, sich seiner eigenen Stärken bewusst zu werden und diese auf die Berufsrolle zu übertragen.

mögliche Inhalte:

  • Reflexion und kollegialer Austausch
  • Bildung und Lernen in der frühen Kindheit
  • pädagogische sprach- und entwicklungsförderliche dialogische Haltung
  • Berufsrolle und Rolle als Sprachförderkraft bzw. pädagogische Fachkraft
  • Selbstfürsorge

Mein verlorener Zwilling – und das Phänomen Hochsensitivität

Nicht, dass von meiner neugefundenen Schwester zu erzählen ein Thema wäre, das mir als Einzelkind leicht über die Lippen ginge. Es gehört zu den vielen unaussprechlichen Dingen, die ich so anzuziehen scheine. Ich suche mir diese Themen nicht aus.

Seitdem ich von dem Phänomen weiß, stelle ich jedoch fest, dass es sehr leicht ist, von der Sucheingabe „verlorener Zwilling“ auf das Thema „Hochsensitivität“ geleitet zu werden.

Ich habe mich allerdings seit Jahren in das Feld der Hochsensitivität eingearbeitet (siehe mein Artikel: Wie Hochsensitivität zu persönlichem Wachstum verhilft) – und zwar derart tief, dass ich durchaus schon auf Bildungskongressen damit aufgetreten bin. Allerdings wurde ich durch die intensive Beschäftigung damit nicht ein einziges Mal auf die Idee gestoßen, meine Veranlagung könnte etwas mit einem verlorenen Zwilling zu tun haben.

Nur wenn du nach „verlorener Zwilling“ suchst, kommst du drauf. Einfach „Hochsensitivität“ einzugeben bringt keinen Treffer. Du musst wissen, dass du danach suchst, bevor du es findest. Es ist ein bisschen verrückt.

Es gilt also ganz deutlich eine Lücke zu schließen, eine Verknüpfung zu bilden, Wissen zu vermitteln. Ich scheine irgendwie verdammt zu sein, ungewöhnliche Nischen zu besetzen, damit ich andere darauf stoßen kann, dass auch das zum Leben dazugehört. Damit andere Betroffene nicht Jahrzehnte damit herumrennen müssen. Wie ich.

Wo fange ich an?

Mit ein paar meiner alten Lebenswahrheiten.

Ich bin unschuldig schuldig.

Ich bin allein auf dieser Welt.

Ich bin falsch, ich kann nichts richtig machen.

Mit mir ist etwas nicht in Ordnung.

Das sind die unbewussten Glaubenssätze, die mich jahrelang geprägt haben.

Kein Wunder, dass ich als Kind zur Königin der Psychosomatik wurde.

Auch hatte ich über zwanzig Jahre lang Schwierigkeiten, mich meinem Mann zu erklären. Immer wieder stellte er mir eine völlig unverständliche Frage:

Warum bist Du traurig?

Als wenn es einen Grund dafür gäbe, traurig zu sein. Traurigkeit ist doch einfach da, das ist ein Grundgefühl.

Es ist eine Tatsache.

Das habe ich mir sogar – im Rahmen meines Selbstzertifizierungsprojektes – schon einmal zertifiziert.

Die existentiellste meiner Lebenswahrheiten ist aber die, dass ich nie geboren hätte werden dürfen. Das war mir immer völlig klar.

Mich haben trotz dieser Glaubenssätze sehr viele Dinge gerettet. Die Liste ist unendlich.

Ich bin überzeugt:

Unsere größte Wunde ist gleichzeitig unsere größte Stärke.

Meine Lebensenergie ist ganz oben auf der Liste der guten Dinge. Aber lange dachte ich, dass ich auch das vor der Welt verbergen müsste. Ich habe ja zu viel davon.

Der erste Schlüssel, um da herauszukommen, war zu erkennen, dass ich Ordnung bin, so wie ich bin.

Als ich das langsam erahnen konnte und in meinen Selbstzertifizierungen ausreichend zelebriert hatte, wurde es mir ermöglicht, eine Schicht tiefer zu kommen.

Es war in einer Integralen Organisations-Struktur-Aufstellung. Ein unerwartetes Geschenk, das mir im Sommer 2019 widerfuhr.

Ich wollte wissen, warum ich alles immer nur gegen mich richte und nicht dorthin, wohin es eigentlich gehört. Also stand jemand für mein Problem. Jemand stand für meinen Fokus auf das Problem. Und jemand stand für das eigentliche Problem. Das, was hinter dem Problem steht.

Und dann war sie da.

Ich nenne sie Maria.

So heißt meine Mutter mit zweitem Namen, nach meiner Uroma. So heißt die verstorbene Schwester meiner Oma. Ihre lebende ehrlich gesagt auch. Marianne heißt eine verstorbene Schwester meines Vaters. Die lebende meiner Mutter auch.

Bestimmt würde sie Maria heißen.

Meine ungeborene Zwillingsschwester.

Und alle meine Lebenswahrheiten machten plötzlich einen Sinn.

Erst habe ich es gar nicht geschnallt. Wie kann man das auch?

Es ist nicht zu wissen. Es ist nur zu fühlen.

Und dann verstand ich endlich, warum ich traurig bin.

Wer es sofort glauben und annehmen konnte, das war mein Mann. Er sah den Unterschied in mir sofort.

Die Britta ohne Maria, die fühlte die Schuld der Überlebenden. Sie hatte sich nie die Erlaubnis gegeben, hier zu sein und bewies sich immer wieder aufs Neue, dass sie ungewollt, ungeliebt und ungeschützt in dieser Welt sei. Noch dazu strahlte sie ein Was-willst-du-von-mir? aus.

Ich habe mir früher auch immer eine Schwester gewünscht – und zwar mit einem leicht schlechten Gewissen, weil ich sie mir gleichaltrig vorgestellt habe. Das ging ja nicht – aber es war als Kind mein großer Traum.

Ich glaube nicht, dass ich mich selbst als unvollständig empfunden habe. Aber da war ein Hunger in mir, der nicht zu stillen war. In meiner Jugend war keine meiner Freundschaften mir tief genug. Ich habe das für typische Pubertätsprobleme gehalten, dass ich so eine Unzufriedenheit und Leere gespürt habe, wo eine Verbindung hätte sein müssen. Wirklich nichts war mir tief genug. Ich habe die meisten Begegnungen als oberflächlich empfunden.

Hochsensitivität und verlorener Zwilling

Jetzt weiß ich, dass ich in allem immer nur die verlorene Verbundenheit mit meiner Schwester gesucht habe. Und ich verstehe jetzt, dass niemand diese Innigkeit ersetzen kann.

Das kann ich nur selbst.

Es ist für mich noch immer schwer zu begreifen. Aber an dem Tag, an dem ich erkannte, weswegen ich traurig bin – da war ich es nicht mehr.

Die Britta mit Maria, die hat die Erlaubnis, ganz aus dem Vollen zu schöpfen.

Ich kann mir jetzt endlich die Erlaubnis geben, hier zu sein.

Zu leben.

Glücklich zu sein.

Ohne sie. Und dennoch mit ihr verbunden.

Ich kann endlich ich selbst sein.

Das Verrückte ist, dass ich wirklich nie drauf kommen konnte. Es ließ sich alles so gut erklären durch die anderen Themen, die ich im Laufe meines Leben gebändigt habe. Hochbegabung. Hochsensitivität. Frühkindliches Trauma. Unsicher vermeidend gebunden.

Auch wenn ich es bewusst nicht ahnen konnte und durch meinen Start als Inkubatorkind und meine anderen Macken wie dem überschießenden Energiehaushalt durchaus bereits über Jahrzehnte mit Traumaauflösung an anderer Stelle beschäftigt war – dadurch, dass ich mein Leben lang irgendwie auf der Suche nach ihr war, habe ich dennoch bereits einige heilende Schritte vollziehen können.

Unvergessen ist das Entstehen meiner Embryonalschablone auf dem Playing Arts Sommeratelier 2009, von der ich dachte, sie wäre ein Symbol für mein inneres Kind. Sie führte mich 2016 auf eine Reise zum Loch Ness, nur ich und sie, wo sie nun auf ewig mit meinem Lieblingsungeheuer schwimmt.

…allerdings nicht, ohne vorher einen Abstecher über Nottingham gemacht zu haben….

Das war die wohl heilsamste Aktion, die ich jemals für mein inneres Kind getan habe.

Ich suchte also immer den Kontakt zu meiner verlorenen Schwester.

Den mir niemand auf dieser Welt ersetzen kann.

Die Frage ist:

Wie verbinde ich mich bewusst mit ihr?

Manchmal sind es die kleinen Momente. Einmal stieß mein Mann mich beim Einkaufen darauf, dass ich nicht mehr Zwei von allem mitnehme. Da brach ich dann mitten im Laden kurz mal in Tränen aus. Eine Senftube in der Hand haltend. Nicht zwei.

Ich habe mir eine Halskette gekauft, die für die Verbindung mit ihr steht. Immer wenn ich sie in die Hand nehme, bin ich daran erinnert. Sie ist immer bei mir.

Sie tauchte sogar unverhofft neben mir auf, als ich beim Zeichnen eines Ahnenmandalas in Ilka Sventja Jörgs Ahnenheilungsgruppe, damals noch Deep Roots, Verbindungslinien zu meinen Ahnen fließen ließ. Wir sind das grüne Geschwisterpaar in der Mitte.

In einem Interview, das sie mit mir über ihre Ahnenarbeit geführt hat, erzähle ich auch von meinem verlorenen Zwilling.

Ein sehr großes Geschenk machte mir Sabine Makkos, indem ich mich unter ihrer Anleitung neurographisch mit meiner ungeborenen Schwester verbinden durfte. Als Frau Sternenherz hilft sie eigentlich Müttern mit ungeborenen Kindern. Meine Geschichte rührte sie an und sie nahm sie in ihr Spektrum auf. Es floss viel Liebe!

In Traumreisen begegne ich ihr manchmal – beim Yoga Nidra öffnete sich einmal ein Raum in meinem dritten Auge, ein orientalisch anmutender Palast, in dem wir befreit miteinander tanzten. In einer weiteren geführten Meditation zur Erweckung von Selbstmitgefühl zerfloss sie am Schluss zu Goldstaub, der von meinem Herzen aufgenommen wurde. Die Möglichkeiten, sich mithilfe von Imagination zu verbinden, sind sicherlich unerschöpflich.

Ein weiterer Weg war für mich, in einem luziden Traum um eine Begegnung mit ihr zu bitten. Das endete zwar in einem luziden Alptraum, da ich in ihr eine wahnsinnige Version meiner selbst sah, die wirklich nackte Angst in mir auslöste, in der ich noch den ganzen Folgetag weiterbadete – im Zuge des Integrationsprozesses und des Raumgebens dieser Angst wurde mir allerdings klar, dass ich, die ja nie vor irgendetwas Angst hat und allein reist, allein in den Wald geht, allein auf dem Kiez unterwegs ist, wie jeder andere auch doch vor irgendwas Angst fühlen müsste! Und mir wurde klar, dass ich sie, wie so vieles in meiner Psyche, komplett dissoziiert und outgesourced habe.

In einem Prozess des luziden Schreibens verband ich mich mit meiner ausgewählten Projektionsfläche – und verdanke meiner Schwester also nun auch diese wichtige Erkenntnis.

Ein weiterer hilfreicher Schritt war ein Bild zu erhalten, das uns beide im Idealzustand zeigt. Danke nochmal, Oliver Brandt, für die zauberhafte Darstellung von uns beiden. Du hast sofort verstanden, was ich meinte, als ich Dich darum bat. Die Verbundenheit ist sichtbar da. Ich kann sie spüren. So hätte es sein sollen. Und das ist so heilsam und schön zu sehen.

Britta Weinbrandt - Mein verlorener Zwilling

Was verändert sich?

Eine für mich sehr deutliche Veränderung ist – auch, wenn ich mich blendend fühle: Ich kriege nichts mehr gebacken. Mein Leben ist irgendwie zu groß für mich geworden. Fraglos habe ich mein Leben lang für zwei gearbeitet, habe Tag und Nacht gearbeitet, habe neben drei freiberuflichen Standbeinen (eines davon in Vollzeit) sogar noch ein Ehrenamt angenommen. Fraglos habe ich mich nebenher immer weitergebildet und mich auf dem neuesten Stand gehalten. Über die Idee einer 40 Stunden Woche lache ich schallend. Das wäre ja wie Urlaub.

Wie habe ich das gemacht? Warum habe ich das gemacht?

Abgesehen davon, dass es für mich gut ist, mein Zuviel an Energie irgendwie sinnvoll zu kanalisieren und dass ich von meinem Wissen lebe: Es gibt keinen Pausenknopf bei mir. Und jetzt spüre ich es zum ersten Mal wirklich. Ich brauche eine Pause. Ich sehe mich außerstande, weiter zu funktionieren. Auch das hat sie mir geschenkt.

Eine weitere Sache lässt mir einfach keine Ruhe. Das ist die Theorie, dass ein Zwilling die linear-konvergente Nische besetzt und der andere die kreativ-divergente. Und dass sie, wenn sie zusammen sind, sich gegenseitig das Feld des anderen eröffnen. Was im Umkehrschluss erklärt, warum ich mathematisch-naturwissenschaftlich echt grenzdebil bin und alles, wirklich alles, sprachlich kompensieren muss. Das ganze Feld erschließt sich mir einfach nicht, oder nur blitzartig und dann kann ich es danach nie wieder abrufen. Ich habe mich immer strohdumm gefühlt. Diese Theorie, so schräg ich sie finde, bezaubert mich sehr. Maria ist also die Mathematikerin unter uns und hat das Wissen einfach mitgenommen. Wie mich das entlastet! Ich lerne ja gerade Magie in meinem Leben zuzulassen – also kann ich mir das Feld vielleicht zurückerobern! Wie genial wäre das???

Warum weiß kaum jemand, dass es verlorene Zwillinge gibt?

Auch wenn Mütter in den allerseltensten Fällen von den verlorenen Zwillingen ihrer Kinder ahnen können, es soll je nach Literatur bis zu 70 Prozent der Schwangerschaften betreffen. Und kaum jemand weiß es – und vor allem nicht, welche Auswirkungen es auf die Geborenen hat.

Meine Mutter habe ich danach gefragt, bevor ich zum ersten Mal darüber geschrieben habe – sie wusste es nicht. Das ist in den meisten Fällen wohl so. Ich kann es also nicht beweisen. Aber es fühlt sich so unfassbar richtig an. Es stimmt für mich.

Die Bücher, die ich inzwischen zu dem Thema gelesen habe, erklären, dass die meisten Abgänge im ersten Trimester geschehen. Da die Pränataldiagnostik in Deutschland erst später beginnt, bleibt es meist unentdeckt und der verstorbene Fötus wird von der Plazenta des Überlebenden aufgenommen. Manchmal wird er auch im Körper verarbeitet, dann kann man den Zwilling als Fremdkörper erkennen.

Für die Zurückbleibenden ist es ein ozeanisches Gefühl der Zeitlosigkeit, das sind gefühlte Äonen. Daher wirkt es so stark auf die Psyche.

Ich hatte mit meinem expressiven Leben Glück – viele entwickeln unerklärliche Ängste vor dem Tod, da sie so lang mit ihm gelebt haben. Ich bin eher angezogen davon. Es gibt immer wieder Menschen in meinem Berufsleben, die gehen können, nachdem ich bei ihnen war, deren letzte Begegnung ich war. Ich strahle etwas aus, das sie loslassen lässt.

Alle meine Symptome sind in den Büchern beschrieben

Eine solche Liste (die zum Glück nicht komplett auf mich zutrifft, aber schon erschreckend bekannt klingt), stammt aus „Der allein gebliebene Zwilling“ von Peter Bourquin und Carmen Cortés.

  • Ich habe keinen Platz in meinem Leben
  • Ich verspüre ständig Angst
  • Ich sollte nicht hier sein
  • Niemand sieht mich wirklich
  • Es gibt keine Sicherheit, jederzeit kann etwas Schlimmes passieren
  • Ich bin traurig
  • Ich fühle mich einsam
  • Es fehlt mir etwas oder jemand
  • Ich habe meiner Mutter wehgetan und traue mich deshalb nicht, ihr zu nahe zu kommen.
  • Ich fühle mich schuldig
  • Ich muss mir das Recht zu Leben verdienen

Eine sehr viel detailliertere Zusammenstellung, als Selbsttest gedacht, fand ich auf der Seite von Annett Petra Breithaupt. Hier wird der Zusammenhang zur Hochsensitivität noch einmal so richtig verdeutlicht:

„Mögliche Auswirkungen auf Beziehungen

  • Ich muss viel tun, um eine erfüllte Beziehung zu haben
  • Ich werde immer allein sein
  • Nur mit dem/der Einen kann ich wirklich glücklich werden
  • Ich muss ständig mit jemanden zusammen sein
  • Ich kann nicht vertrauen, muss aufpassen, dass der/die Andere da bleibt
  • Ich muss den/die Andere retten, gesund machen, erfolgreiche machen, nur dann kann Liebe entstehen

Einsamkeit, unstillbare Sehnsucht und das Bedürfnis nach symbolischer Verschmelzung (die gut gelebte Sexualität zwischen Erwachsenen fast unmöglich macht) kreieren unerfüllte Liebesbeziehungen, ebenso wie die ständige Angst vor Verlust, das nicht Aushalten können von wirklicher Nähe und sich nicht Einlassen können auf tiefe Bindung. Unerklärliche Schuldgefühle, retten und erhalten wollen um jeden Preis, übergroße Ängste vor Veränderungen. Solange das Trauma noch aktiv ist, bestimmt es oft die Partnerwahl.

Mögliche Auswirkungen auf den Beruf

  • Ich muss für zwei/drei arbeiten – daraus resultiert Dauerüberforderung
  • Ich schaffe es nicht
  • Ich muss alles allein machen, kann nicht delegieren
  • Ich habe Angst vor dem Ende des Projekts, was kommt dann, Leere? Deshalb beende ich es lieber nicht
  • Ich darf nicht wirklich erfolgreich sein, wenn du nicht leben darfst

Nicht selten wird der falsche Beruf gewählt (der, der mehr dem Potential des gegangenen Zwillings entspricht), so wird es immer anstrengend und erfolglos sein.

Mögliche Auswirkungen auf die Finanzen

  • Ich darf nichts haben, weil der/die Andere ja nicht leben darf
  • Mir darf es nicht gut gehen, weil der Schmerz um den Verlust so groß ist

Viel Geld in die Rettung und Erhaltung anderer stecken. Das können auch Projekte, Häuser, Autos, technische Geräte, Haustiere oder Besitz sein, der eigentlich nicht mehr wirklich zur aktuellen Lebenssituation passt. Es entsteht die Neigung alles doppelt zu kaufen.

Mögliche Auswirkungen auf die Wohnsituation

  • Mir darf es nicht gut gehen (man lebt mit kaputten Dingen in einer unschönen Umgebung)
  • Ich habe keinen Raum
  • Ich darf mich nicht schützen
  • Ich kann nichts wegschmeißen

Viele Betroffene haben auch zwei und mehr Wohnungen, zwischen denen sie ständig pendeln und immer mit Umzugskisten und Koffern leben.

Schwierigkeiten, die eigene Identität zu finden

  • Wie es allein weiter geht
  • Ich kann mich nicht richtig abgrenzen, mir geht alles so nahe
  • Ich weiß immer, was mit Anderen los ist
  • Was ist wirklich meins? (Vor allem im Fühlen)
  • Was passt zu mir? (z.B. meine Kleidung, mein Lebensstil, meine sexuelle Identität)

Verfolge ich meine Projekte oder meine Idee von jemand Anderem ohne es zu merken?

Körperliche Auswirkungen

  • Ich bin immer zu schwach, zu kraftlos, zu antriebslos
  • Ich spüre mich nicht richtig, nur über große Reize
  • Ich bin nicht richtig bei mir, gehe ständig über meine Grenzen (z.B. zu viel Sport, zu viel Essen etc.)
  • Ich nähre mich nicht richtig (nutze mir zur Verfügung stehende Ressourcen nicht wirklich)

Symptome betreffen oft die paarigen Organe (z.B. Augen, Schilddrüsen, Brust, Nieren) und die Körperbereiche, die sich beim Embryo gerade entwickelt haben, als der Bruder/die Schwester ging. Autoimmunerkrankungen zeigen den inneren Konflikt „ich will leben, will (darf) nicht leben“ am deutlichsten. Das Geschehen im Mutterleib, war für den Überlebenden eine real lebensbedrohliche Situation, da beim Verlust des Zwillings die Schwangerschaftshormone der Mutter sehr stark abgefallen sind, so gehen auch später viele gewünschte Lebensveränderungen mit starken Körperreaktionen einher, bis hin zu Panikattacken.“

Wenn man um das Phänomen weiß, liegt es offenbar klar auf der Hand. Ich habe nach meinem Outing von einer guten Freundin die Rückmeldung bekommen, dass sie, seit sie mich kennt, dachte, ich könnte einen verlorenen Zwilling haben. Alles, was ich so über mich erzählte, hatte sie daran erinnert. Sie hat es aber nie laut ausgesprochen.

Wie denn auch? Erst nachdem ich es wusste.

Das hat mich sehr umgehauen.

Ich möchte also wirklich gern dazu beitragen, dass das Thema bekannter wird. Unter anderem werde ich gerade bei Isa-Bianka und Julian Mack zum IOSA-Practitioner ausgebildet, um die Integralen Organisations-Strukturaufstellungen zu durchdringen. Ich muss wissen, wie das funktioniert! Im Zuge meiner integralen Coachingausbildung entstand mein Selbstheilungskurs „Umarme Deine Symptome …und aktiviere Deine Selbstheilungskräfte“, in den ich alle meine Erfahrungen fließen lasse.

Ein möglicher Weg, herauszukriegen, ob man ebenfalls betroffen ist, ist also, es in einer Aufstellung zu erkennen. Und da kommt es wohl recht häufig vor, dass verlorene Zwillinge auftauchen. Es ist ja schon bekannt, wie bedeutsam ungeborene oder verstorbene Geschwister sind – ein weiteres verwandtes Phänomen.

Ansonsten verlasse ich mich beim Erkennen, ob ich von einem Thema betroffen bin, ganz darauf, dass mein Körper sowas besser weiß als ich. Nachdem ich bei Bessel van der Kolk über eine Frau gelesen hatte, die während einer Narkose aufgewacht war, durchlebte mein System eine gefühlte halbseitige Lähmung und brachte mir die Erinnerung ins Bewusstsein, dass ich als Kind dasselbe erlebt hatte (noch ein Trauma, mit fünf Jahren von einer Mandeloperation mitgebracht!).

Wenn ich nicht von diesem Körpererfahrungsspeicher und intrinsischen Körperwissen überzeugt wäre, würde dieser Artikel, mit dem ich Menschen, die es von sich nicht wissen, überhaupt erst darauf aufmerksam machen möchte, wenig Sinn machen. Ich denke, die Resonanz, die das Lesen im Körper erzeugt, wird zu der Erkenntnis führen, ob es ein Thema ist, das sich weiterzuverfolgen lohnt – oder nicht.

Es ist wohl wie bei den meisten Blockaden. Wenn man sie benennen kann, sind sie schon fast integriert!

Ich habe durch meine Begegnung mit Maria unglaublich viel gewonnen.

Wer wissen möchte, wie die Geschichte weitergegangen ist: Vom 12. bis zum 21. Dezember 2022 veranstaltet Elke Brenner einen Kongress Lebender Zwilling – Vom Verlust zur Freude. Ich bin am 19.12. als Interviepartnerin dabei.

Projektarbeit mit Kindern

Fragen der Kinder zu beantworten, Zusammen zu wirken, gemeinsam zu Forschen – Projektarbeit ist ganzheitliche Bildung, sie stärkt, fördert und macht Spaß.

Sie setzen ein Beobachtungsinstrument ein und streben nun die nächsten Schritte der Förderung ihrer Kinder an.

In diesem Seminar geht es darum, Ideen zu sammeln, welche Projekte sinnvoll für Ihre individuelle Einrichtung zu entwickeln sind. Anhand ihrer bestehenden Dokumentation erhalten Sie die Gelegenheit, zu reflektieren, welche Angebote Sie ihren Kindergruppen machen möchten. Der Fokus liegt dabei auf den Interessen der Kinder.

Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus frühkindlicher Bildung, Lernen und Entwicklung sowie Einbezug der verschiedenen Bildungsbereiche – wie dem naturwissenschaftlich-technischen oder dem künstlerisch-musischen, Sozialverhalten, Naturerleben, Körper, Bewegung, Spiel und Gesundheit… – erstellen Sie ein praktisch umsetzbares Konzept. Zusätzlich werfen wir einen Blick auf die sprachförderliche Umsetzung.

  • Frühkindliche Bildung und Lernen
  • Bildungsbereiche
  • Nächste Schritte der Förderung
  • Ideensammlung
  • Reflexion
  • Konzepterstellung bis zur praktischen und sprachförderlichen Umsetzung