Hochbegabte Kinder unterscheiden sich erst einmal nicht von anderen, sie können jedoch z.B. sehr wissensdurstig, willensstark und diskutierfreudig sein und Therapeuten gezielt an ihre Grenzen bringen. Manche Kinder können in einigen Bereichen, insbesondere dem Sprachlichen, unter Umständen sehr weit entwickelt sein. Wenn sie im emotional-sozialen Bereich dann altersgemäß entwickelt sind, wirken sie im Gegensatz zu der gezeigten Begabung oftmals besonders „zurück“. Eine Hochbegabung wird dann auch von den eigenen Eltern unter Umständen nicht gesehen oder ernst genommen.
In diesem Seminar geht es darum, einige Merkmale, die hochbegabte Kinder zeigen können, kennenzulernen, um hochbegabte Kinder erkennen zu können und für die besonderen Bedürfnisse dieser Kinder sensibilisiert zu werden. Es werden verschiedene Begabungsmodelle, Lerndispositionen sowie die Chancen und Problembereiche in der Entwicklung hochbegabter Kinder in Kindergarten- und Schulalter vorgestellt.
Anhand von bewährten Forder- und Fördermaßnahmen der Begabungs- und Begabtenpädagogik, die die Stärken der Kinder berücksichtigen, können sinnvolle Interventionsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Die bekannteste dieser Methoden ist das Enrichment, die Anreicherung. Gemeinsam erarbeiten wir Transfermöglichkeiten für die logopädische Therapie.
Weiteres Thema sind die speziellen Bedingungsfaktoren hochbegabter Schulkinder mit LRS, die sich weder mit den bisherigen LRS-Theorien noch mit den vorhandenen Hochbegabungstheorien hinreichend erklären lassen. Aufgrund von nicht synchron verlaufenden Entwicklungsprozessen, die z.B. dazu führen, dass die Schreibmotorik den schnellen Denkvorgängen nicht hinterherkommt, kann es zu gleichzeitiger Unter- und Überforderung kommen.
Weiteres Thema wird die Angehörigenberatung und die speziellen Bedürfnisse von Eltern hochbegabter Kinder sein. Da diese mit ihren Kindern vielfach anecken, ist eine behutsame Begleitung notwendig, damit sie wieder Mut schöpfen können. Zuversichtliche Eltern, die die besonderen Förder- und Fordermöglichkeiten verstehen, verhelfen ihren Kindern zu einer Umwelt, in der sich ihr Potential entfalten kann. Ein besonders wirksamer Zugang in der Begleitung von Kindern und ihren Eltern zeigt sich in der Erforschung unserer eigenen Selbstkompetenzen.
Seminarinhalte:
– Hochbegabung: Modelle und Definitionen – Chancen und Problembereich – Hochbegabtenförderung und -motivation – Hochbegabung und LRS – Beziehung und Kommunikation – Elternberatung – Selbstkompetenzen
Durch meine Arbeit in der Kita-Weiterbildung stehe ich in regem Erfahrungsaustausch mit pädagogischen Fachkräften aller Altersgruppen. Ich erlebe in den Formaten, in denen ich mit Erzieherinnen bzw. sozialpädagogischen Assistentinnen oder Tagesmüttern etc. Kontakt habe, diese als hoch motiviert und engagiert und lebe – ohne Übertreibung – in genereller Hochachtung vor der Arbeit, die sie (und ihre männlichen Kollegen natürlich auch) an unseren Kindern leisten.
Ich weiß selbst, dass ich als Logopädin das Privileg einer Eins-zu-eins-Betreuung genießen kann und dass allein der in den Kitas herrschende Lärmpegel mir zu schaffen machen würde.
Allerdings scheinen viele Teilnehmerinnen meiner Seminare oder Studientage einem starken Spannungsfeld ausgesetzt zu sein: Immer wieder wurde mir beschrieben, wie manche sich täglich das Trinken verwehrten, um später nicht auf die Toilette gehen zu müssen, da sie wegen der herrschenden Aufsichtspflicht die Gruppe nicht verlassen dürften, in der sie zum Teil mit über zwanzig Kindern allein seien.
Wenn ich in Fortbildungsdesigns, die über eine Einzelveranstaltung hinaus gingen, die Möglichkeit hatte, selbst gewählte Hausaufgaben wie das Ausprobieren eines bestimmten Beobachtungsbogens, die Praxis des Aktiven Zuhörens oder eine kurze Zeitlupenbeobachtung zu geben, so konnten diese trotz hoher Motivation selbst bei einer drei- oder vierwöchigen Pause zwischen den Qualifizierungsmaßnahmen in den seltensten Fällen durchgeführt werden. Meist war durch Krankheit oder Urlaub die eine Kollegin ausgefallen, die in den erforderlichen zehn Minuten das „Tagesgeschäft“ hätte übernehmen können. Gleichzeitig wurde mir regelmäßig die Frage gestellt, ob ich nicht auch aus meiner Praxis bestätigen könnte, dass Kinder heute (sprachlich und insgesamt) „auffälliger“ und Eltern (Stichwort „Helikoptereltern“) „schwieriger“, „unsicherer“ und „behütender“ geworden seien.
Dies ließ in mir zunehmend die Frage aufkeimen, ob die alleinige gemeinsame Erarbeitung einer ressourcenorientierten und entwicklungsförderlichen Haltung mit einem positiven Blick den den Kindern gegenüber – die immer wiederkehrendes Thema in den Seminaren sind – überhaupt ausreichend sei, damit Erzieherinnen eine zufriedenstellende (und im Sinne von Prävention gesunderhaltende) Arbeit leisten können?
Neben den derart aufgeworfenen Themen wie „Äußere Rahmenbedingungen“ und „Möglichkeiten zur Selbstfürsorge“ hörte ich von einer veränderten Sicht auf Dinge, die früher in ihrer Arbeit selbstverständlich gewesen seien. So berichteten einige zum Beispiel, dass sie keine echten Geburtstagskerzen mehr anzünden dürften. Hierin spiegelt sich meines Erachtens nicht nur eine veränderte Beziehung zu den Eltern wider, deren Beschwerden durch solche Interventionen zu verhindern versucht werden, sondern zeigt sich gleichfalls ein gesellschaftlicher Trend, sich abzusichern und kein Risiko einzugehen, welcher ausdrückt, dass niemand die mehr Konsequenzen tragen wolle, die sich aus einer Verantwortungsübernahme ergeben. Pädagogische Fachkräfte scheinen also vielfältigen „Veränderungsprozessen“ zu unterliegen.
Um zu einer ganzheitlichen Sicht zu kommen, in der die Inhalte meiner Seminare überhaupt wirksam sein können, war es für mich erforderlich, die verschiedenen Strömungen in der Pädagogik herauszuarbeiten, mit denen pädagogische Fachkräfte aktuell konfrontiert sind. Es geht es daher auch um relevante aktuelle Veränderungen in der Bildungspolitik. Um die speziellen Bedürfnisse der Erzieherin selbst zu berücksichtigen, musste ich mich mit Persönlichkeitstheorien beschäftigen, in denen das Selbstkonzept und die Selbstwirksamkeit eine zentrale Rolle spielen. Hierbei ist die Bereitschaft, die eigene Persönlichkeit weiterzuentwickeln, bestimmend.
Dazu gehören Faktoren wie Grundhaltungen und Werte, Kommunikation und Verhalten, Ressourcen und Stärken, die mir in diesem Zusammenhang wichtig sind.
Veränderungsprozesse in der Pädagogik
Hartmut Marsch gibt in seiner wunderbaren Dissertation „Das Prinzip Verantwortung als Handlungsorientierung im Feld öffentlicher Erziehung“ einen historischen Abriss der Pädagogik.
„Erziehung und Politik sind untrennbar miteinander verwoben“.
So ist es nicht weiter verwunderlich, dass die Entwicklung der aufkeimenden Reformpädagogik durch die beiden Weltkriege gebremst wurde. Erst durch die Studentenbewegung der 1960er Jahre wurde eine Weiterführung dieser Arbeit ermöglicht. Das Ende der Nachkriegszeit seit 1989 brachte eine Perspektivenerweiterung von in der Wissenschaft längst bestehenden Ansätzen auch in der Pädagogik. Die zunehmende Digitalisierung hatte den Anstoß zu Hirnforschung, Genforschung und Kybernetik gegeben und das Systemische Denken daraus erwachsende Kommunikationstheorien gebracht, außerdem wurde zunehmend eine Ressourcenorientierung thematisiert. In der aktuelleren Entwicklung gewann der frühkindliche Bildungsbereich nach dem PISA-Schock im Jahre 2000 enorm an Aufmerksamkeit und Bedeutung. In allen Bundesländern wurden ab 2004 Bildungsprogramme, Bildungspläne oder Bildungsempfehlungen erarbeitet und zur verbindlichen Arbeitsgrundlage, wodurch Kindertageseinrichtungen zu Institutionen mit einem umfassenden Bildungsauftrag aufgewertet wurden. Zusätzlich wurde 2007 der Ausbau der Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren beschlossen und seit 2013 der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr verankert.
Der Bedarf des quantitativen Ausbaus von Betreuungsplätzen vernachlässigte vor dem Hintergrund der veränderten Anforderungen die tatsächliche Situation in den Einrichtungen. Die strukturellen Rahmenbedingungen wurden vielerorts kaum entsprechend entwickelt und angepasst, beispielsweise beim Betreuungsschlüssel, welches in der Praxis zu den eingangs beschriebenen handfesten Umsetzungsproblemen führen kann.
Weiterhin wurde traditionelle Elternarbeit im Sinne der Gestaltung von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften völlig neu konzipiert. Es fehlen jedoch oftmals strukturell Zeiten für die Vor- und Nachbereitung und für eine intensive Elternarbeit. Der Wandel in der Sicht auf die Elternarbeit kollidiert mit der gefühlten Tendenz, dass Eltern ihren Kindern heutzutage viel mehr Aufmerksamkeit zu schenken in der Lage sind, welches überspitzt von der bayerischen Kabarettistin Monika Gruber auf den Punkt gebracht wurde:
„Wenn wir mal in der Schule schlechte Noten g’habt haben, dann san mir von unsere Eltern g’schimpft worden und nicht unsere Lehrer“!
(Allerdings macht sie sich gleich im Folgesatz über Eltern lustig, die ihre Kinder für hochbegabt halten – ein Thema, über das ich mich in bereits in meinem Artikel über hochbegabte Kinder und Underachiever ausgelassen habe…)
(ab Minute 4:06)
Das Beobachten und Dokumentieren stellt heute eine zentrale Aufgabe dar. „Die wichtigsten Begriffe in der pädagogischen Praxis sind nicht mehr „Sprechen“, „Erklären“ und „Vermitteln“, sondern „Zuhören“, „Beobachten“ und „Dokumentieren“.
Schlagworte wie Inklusion und Partizipation bestimmen den pädagogischen Diskurs.
Der Wandel von Homogenität zu Diversität bedeutet, dass Kinder, die früher separiert wurden, nun berücksichtigt werden müssen.
„Inklusion ist eine Frage der Haltung“, titulierte die Hannoversche Allgemeine Zeitung, „Die Barrieren müssen weg. Die baulichen – die Treppen und Türen, die man mit dem Rollstuhl nicht bewältigen kann. Aber auch die Barrieren im Kopf“.
Jedoch nicht nur die Sicht auf Behinderungen zeigt sich verändert, ebenso gab es einen neuen Umgang mit Begabungen. Es werden nicht mehr nur besonders- oder hochbegabte Kinder in einer speziellen Begabtenförderung gefördert, sondern eine flächendeckende Begabungsförderung aller Kinder ist gefragt. Es fehlt Erzieherinnen jedoch an Kenntnissen in den einzuführenden Bildungsbereichen wie Naturwissenschaft, Mathematik, technischer Bildung, sprachlicher Förderung (neben der aktuellen Herausforderung, Flüchtlingskinder ohne deutsche Sprachkenntnisse aufnehmen zu müssen) und Literacy.
Eine Bertelsmann-Studie von 2006 benannte als weitere Fortbildungsbedarfe das Fehlen von Kenntnissen der Bedürfnisse von Kindern unter drei Jahren, ein überholtes Bild des Kindes und den Mangel an methodisch-didaktischen Kenntnissen für den Umgang mit Kindern im jüngeren Alter. Der auf allen Ebenen entstehende hohe Qualifizierungsbedarf treibt ebenfalls die Professionalisierung und Akademisierung voran. Anreize für die Teilnahme an Weiterbildung sowie soziale und finanzielle Anerkennung wurden jedoch nicht gefördert. Ein Ruf nach verbesserten Rahmenbedingungen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen wurde laut.
Der meines Erachtens wichtige positive Wandel, der sich aus den beschriebenen Veränderungen ergeben hat, ist das entstandene sogenannte „neue Bild vom Kind“ und das „neue Bild der Erzieherin“. Im infans-Konzept wird beschrieben, was das heißen kann: Das Kind wird als starke Persönlichkeit, Gestalter seiner eigenen Ziele und Beziehungen, als aktives und kompetentes Wesen, als Forscher, Entwickler und Spezialist seiner eigenen Fähigkeiten auf Augenhöhe betrachtet. Die Erzieherin wird als einfühlende Beobachterin und zugleich Beantworterin der Themen und Interessen der Kinder und somit gleichwertige Interaktionspartnerin, Begleiterin und Unterstützerin gesehen, die ihre eigene Selbstbildung und Bildungsbiografie kompetent reflektiert.
Ein „Paradigmenwechsel in der Fragestellung“ führte demnach weg von der direktiven „Ich bringe dir etwas bei-Haltung“ zu einer auf Augenhöhe forschenden Haltung der Ko-Konstruktion, die danach fragt, die Kinder zu verstehen. Bildung ist in diesem Sinne nicht mehr nur Kompetenzerwerb, sondern die Konstruktion und Aneignung der Welt durch das Kind selbst. Damit ist Erziehung die Antwort der erwachsenen Bezugspersonen auf diese Aneignungs- und Bildungsprozesse der Kinder geworden, die sich in der Gestaltung der Umwelt des Kindes und der Gestaltung der Interaktion mit ihm ausdrückt. Die Aufgabe der Betreuung ist somit nicht mehr nur, das Aufwachsen und Wohlergehen sicherzustellen, sondern es gilt, eine verlässliche Zuwendung in einer sicheren Bindung zu schaffen und Anregung zu bieten für alles, was Kindern einen Zugang zur Welt verschafft, sodass ein Wechselspiel von Anregung und Entfaltung erkennbar wird.
Es wird deutlich, dass alle genannten Faktoren eine professionelle Haltung voraussetzen, um nicht nur die formulierten Anforderungen zu erfüllen, sondern auch dem dahinter liegenden Selbstverständnis pädagogischer Professionalität entsprechen zu können. Von den Fachkräften wird heute ein hohes Maß an Selbstreflexion erwartet. Susanne Viernickel fasst zusammen: „Sie sollen offen und wertschätzend mit Verschiedenheit und den besonderen Bedürfnissen und Bedarfen aller Kinder und Familien umgehen (Diversity-Kompetenz), fachlich und ethisch begründet eigenverantwortlich handeln sowie fall- und situationsbezogen flexibel und sensibel agieren können“. Welche Bedingungen bestimmen eine solche Haltung?
Haltungsbestimmende Faktoren
Um mehr darüber zu erfahren, habe ich eine umfassende Literaturrecherche gemacht, die ich im Folgenden hier zusammenfassen werde. Friedemann Schulz von Thun beschreibt im Gespräch mit Bernhard Pörksen treffend, wie stark die vielbeschriebene Haltung mit der Biographie verwoben ist:
„“Erziehung“ ist auch Nervensache, und das Nervenkostüm des Erziehers und die konkreten Lebensverhältnisse werden unweigerlich eine größere Rolle spielen als pädagogische Einsichten. Vieles, was Eltern und Lehrer tun, begründen sie hinterher „pädagogisch“, aber in Wahrheit konnten sie aus ihrer Haut nicht heraus“.
In einer Expertise zur Professionalisierung in der Frühpädagogik fasst Yvonne Anders professionelle Kompetenzen pädagogischer Fachkräfte zusammen, zu denen „verschiedene Aspekte des Professionswissens, pädagogische Orientierungen und Einstellungen, motivationale und emotionale Aspekte, selbstregulatorische Fähigkeiten sowie Aspekte des professionellen Selbst- und Rollenverständnisses“ gehörten, die als Teilkomponenten der professionellen Haltung aufzufassen seien. Die entstehenden Aspekte des beruflichen Rollen- und Selbstverständnisses berühren auch Persönlichkeitsmerkmale wie Reflexionsfähigkeit zur Verbesserung des pädagogischen Handelns, Offenheit im Umgang mit der Ungewissheit im professionellen Handeln und der bewussten Entwicklung der Professionalität, die die Fähigkeit und den Willen zur Kommunikation umfasst.
U.a. Susanne Viernickel beschreibt sehr aussagekräftig drei Typen, wie mit den Herausforderungen, die die Veränderungsprozesse in der Pädagogik mit sich bringen, umgegangen werden könne.
Typ 1 sei der „wertekernbasierte Typ“, dem es darum ginge, eine pädagogische Grundorientierung in eine gelebte Praxis münden zu lassen und der somit dem aktuellen Bildungsverständnis sehr nahe komme.
Typ 2 sei der „umsetzungsorientierte Typ“, der sich aufopfere, unter dem Druck der hohen Verantwortung zusammenbreche und darunter leide, dass die ideellen Anforderungen, die er wirklich umsetzen wolle, aufgrund der äußeren Gegebenheiten zu pädagogischen Handlungsdilemmata führten.
Typ 3 wird als der „distanzierte Typ“ beschrieben, der die Veränderung ablehne und seine eigene habitualisierte Praxis verteidige um den Preis der Abwertung der Bildungsprogramme, und der an einem professionellen Selbstverständnis festhalte, das nicht mehr zum aktuellen Professionsverständnis passe.
Julia Schneewind schreibt, dass „Selbstwirksamkeit verstanden wird als die Fähigkeit eines Individuums, ein erwünschtes Ergebnis zu erzielen“. Hierbei besteht ein deutlicher Zusammenhang zur persönlichen Selbstwirksamkeitserwartung. Betrachtet man die oben beschriebenen drei Typen, so verdeutlicht sich, dass es hier eigentlich um das sogenannte „Mindset“ geht, die Grundeinstellung bzw. das Selbstbild, mit dem die Betroffenen sich und die Welt betrachten. Carol Dweck beschreibt das statische versus dem dynamischen Selbst- und Weltbild.
Für Menschen mit einem statischen Selbstbild seien die Dinge in Stein gemeißelt, unveränderbar und fix. Sie haben kaum positive Selbstwirksamkeitserfahrungen und scheuen vor großen Herausforderungen, da ein Fehler oder sogar ein Scheitern auf ihr als negativ erlebtes So-Sein zurückgeführt werden könne. Sie identifizierten sich mit ihren Misserfolgen (Entitätstheorie) und haben daher ein geringes Selbstbewusstsein, da sie sich und anderen ihre Fähigkeiten in jeder Situation neu beweisen müssten, sich ständig selbst bewerteten und bewertet fühlten. Sie lebten in Konkurrenz mit anderen.
Menschen mit einem dynamischen Weltbild dagegen glaubten an Lernen und Entwicklung, kämen bei besonders großen Herausforderungen an ihre Hochleistung heran und erlebten große Selbstwirksamkeit, denn auch wenn sie scheiterten, könnten sie dem Sinn ihres Tuns noch etwas Positives abgewinnen. Daher könnten sie Fehlschlägen ehrlich ins Auge sehen, da sie es nicht persönlich nähmen und daran glaubten, sich beim nächsten Versuch verbessern zu können (Modifizierbarkeitstheorie). Sie seien von Neugier getrieben und lebten vielfach in einem Zusammengehörigkeitsgefühl mit anderen, da sie ihre Mitmenschen auf Augenhöhe erlebten.
U.a. Kuhl formulierte die Frage, ob es nicht nur von innen heraus möglich sei, seine Haltung zu verändern, sondern ob dies auch aufgrund gelebter Praxis geschehen könne. Dies lässt hoffen, dass die Umsetzung von Dwecks Forschungsergebnissen in der Pädagogik, die in vielerlei Fortbildungszweigen vermittelt werden, aufgrund der positiven Erfahrungen von pädagogischen Fachkräften schließlich auch zu einer langfristigen Veränderung des Mindsets führen könnten: Eine entwicklungsorientierte Haltung drückt sich nämlich sehr stark auch in einer bewussten dialogorientierten Kommunikation mit Kindern aus. Sprache stellt eine Querschnittsaufgabe der Bildung dar und was zu einem guten Sprachvorbild gehört, wird Erzieherinnen vielfach vermittelt.
Dass dies jedoch nicht nur in die Sprachentwicklung eingreift, sondern tiefergehende Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung und Beziehungsfähigkeit hat – diese Dimension ist nur wenigen bewusst. Insbesondere geht es um das Loben (und zwar nicht erst seit Carol Dweck; beispielhaft sei hier auch Thomas Gordons bekannte „Familienkonferenz“ von 1970 genannt).
Beim Loben ist – bezugnehmend auf das vorher aufgezeigte Mindset – wichtig, dass darauf geachtet wird, dass die Handlung und daraus ersichtliche (dynamische) Anstrengungsbereitschaft des Kindes ein positives Feedback erhält und nicht das Kind selbst mit der Zuschreibung einer (statischen) Eigenschaft. Auf diese Weise wird ein positives veränderliches Selbstbild sowohl in dem, der das Lob erhält, geschaffen, wie auch in der Person, die sich über die Formulierung eines solchen Lobes Gedanken macht. Drei Experimente von Mueller und Dweck stellen auf erschreckende Weise dar, wie schnell ein Mindset zum Negativen verändert werden kann.
Im ersten Experiment wurden Schüler der fünften Klasse nach einem Intelligenztest gelobt: 50 Prozent für ihre Intelligenz, 50 Prozent für ihre Anstrengung. Bevor sie einen zweiten IQ-Test machen sollten, wurde ihnen angeboten, ob sie noch eine neue Problemlösestrategie erlernen oder ihr Ergebnis lieber im Vergleich mit den anderen sehen wollten: Nur von der zweiten Gruppe entschied sich die Mehrheit dafür, noch etwas Neues dazuzulernen.
Im zweiten Experiment, mit der gleichen Ausgangslage, wurde jedoch vor dem zweiten Test angesagt, dass sie wählen könnten, ob sie einen schwereren machen wollten, in dem sie viel dazulernen würden, oder ob sie einen ähnlich leichten Test machen möchten wie den eben: 90 Prozent der Kinder, die für ihre Anstrengung gelobt wurden, wollten mehr lernen. Den anderen war das gute Abschneiden wichtiger.
Im letzten Experiment wurde erneut bei den Kindern jeweils zur Hälfte ein dynamisches und statisches Mindset hergestellt. Jetzt führten nach dem erfolgten Lob alle einen schwereren Test für zwei Jahre ältere durch. Die Kinder, die für ihre Anstrengung gelobt wurden, erklärten ihren Misserfolg damit, dass sie sich nicht genügend angestrengt und konzentriert hatten. Die anderen bezweifelten, ob sie wirklich so schlau wären, wie ursprünglich angenommen. In einem anschließenden dritten Intelligenztest schnitt die erste Gruppe signifikant besser ab als vorher, die zweite verschlechterte sich, obwohl im ersten ähnlichen Test alle vergleichbare Ergebnisse erzielt hatten.
Dies lässt aber ebenso den Umkehrschluss zu, dass es ebenso geringer Veränderungen in die positive Richtung bedarf, um bei Kindern große Wirkungen zu erzielen. Es empfiehlt sich also, eine generelle Wertschätzung mit Bezug zur Person, wie sie sich zum Beispiel zu Jungs in einem „Mann, bist du stark!“ und zu Mädchen in einer Bemerkung wie „Siehst du heute hübsch aus!“ ausdrücken könnte, bewusst in eine dialogorientierte Wertschätzung mit Bezug zur Aktivität des Kindes umzuwandeln: „Wie hast du das denn so schnell gemacht?“ oder „Wer hat denn diesen hübschen Zopf geflochten?“ kann somit nicht nur der Beginn einer wertschätzenden Unterhaltung sein, sondern auch noch verhindern, dass Kinder sich mit Äußerlichkeiten identifizieren.
Auch für den Blick auf die Kinder und Verhalten von Erzieherinnen kann das Mindset wichtig sein, wie in es der folgenden Tabelle von Ziegler in Bezug auf Begabungsförderung dargestellt wird.
Abschließend möchte ich meine Überzeugung zum Ausdruck bringen, dass jemand, der an die generelle Veränderbarkeit von Situationen glaubt und sich aktiv und motiviert bei seiner Arbeit einbringt, sich mit mehr Selbstfürsorge für seine eigenen Belange einsetzen kann. Ich hoffe sehr, dass auch meine Arbeit – mit der stetigen Einladung zur Reflexion – bei meinen Teilnehmerinnen zu einer Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen führen kann und somit der Gesundheit von pädagogischen Fachkräften und der positiven Entwicklung der ihnen anvertrauten Kinder dienen kann.
Sie bestimmen den Fokus! Soll es um die bestmögliche Förderung der Kinder gehen?
Sprachförderung oder Entwicklungsförderung im Kita-Alltag – Eine Frage der Haltung
Soll es um Prävention und Selbstfürsorge der Erzieherinnen gehen?
Haltung entwickeln im Kita-Alltag
Dieser Workshop ist eine Einladung für pädagogische Fachkräfte, ihre pädagogische Haltung zu reflektieren und sich mit anderen darüber auszutauschen. Anhand von Methoden aus dem kunstorientierten Coaching bekommt jeder Teilnehmer die Möglichkeit, sich seiner eigenen Stärken bewusst zu werden und diese auf die Berufsrolle zu übertragen.
mögliche Inhalte:
Reflexion und kollegialer Austausch
Bildung und Lernen in der frühen Kindheit
pädagogische sprach- und entwicklungsförderliche dialogische Haltung
Berufsrolle und Rolle als Sprachförderkraft bzw. pädagogische Fachkraft
Nicht, dass von meiner neugefundenen Schwester zu erzählen ein Thema wäre, das mir als Einzelkind leicht über die Lippen ginge. Es gehört zu den vielen unaussprechlichen Dingen, die ich so anzuziehen scheine. Ich suche mir diese Themen nicht aus.
Seitdem ich von dem Phänomen weiß, stelle ich jedoch fest, dass es sehr leicht ist, von der Sucheingabe „verlorener Zwilling“ auf das Thema „Hochsensitivität“ geleitet zu werden.
Ich habe mich allerdings seit Jahren in das Feld der Hochsensitivität eingearbeitet (siehe mein Artikel: Wie Hochsensitivität zu persönlichem Wachstum verhilft) – und zwar derart tief, dass ich durchaus schon auf Bildungskongressen damit aufgetreten bin. Allerdings wurde ich durch die intensive Beschäftigung damit nicht ein einziges Mal auf die Idee gestoßen, meine Veranlagung könnte etwas mit einem verlorenen Zwilling zu tun haben.
Nur wenn du nach „verlorener Zwilling“ suchst, kommst du drauf. Einfach „Hochsensitivität“ einzugeben bringt keinen Treffer. Du musst wissen, dass du danach suchst, bevor du es findest. Es ist ein bisschen verrückt.
Es gilt also ganz deutlich eine Lücke zu schließen, eine Verknüpfung zu bilden, Wissen zu vermitteln. Ich scheine irgendwie verdammt zu sein, ungewöhnliche Nischen zu besetzen, damit ich andere darauf stoßen kann, dass auch das zum Leben dazugehört. Damit andere Betroffene nicht Jahrzehnte damit herumrennen müssen. Wie ich.
Wo fange ich an?
Mit ein paar meiner alten Lebenswahrheiten.
Ich bin unschuldig schuldig.
Ich bin allein auf dieser Welt.
Ich bin falsch, ich kann nichts richtig machen.
Mit mir ist etwas nicht in Ordnung.
Das sind die unbewussten Glaubenssätze, die mich jahrelang geprägt haben.
Kein Wunder, dass ich als Kind zur Königin der Psychosomatik wurde.
Auch hatte ich über zwanzig Jahre lang Schwierigkeiten, mich meinem Mann zu erklären. Immer wieder stellte er mir eine völlig unverständliche Frage:
Warum bist Du traurig?
Als wenn es einen Grund dafür gäbe, traurig zu sein. Traurigkeit ist doch einfach da, das ist ein Grundgefühl.
Die existentiellste meiner Lebenswahrheiten ist aber die, dass ich nie geboren hätte werden dürfen. Das war mir immer völlig klar.
Mich haben trotz dieser Glaubenssätze sehr viele Dinge gerettet. Die Liste ist unendlich.
Ich bin überzeugt:
Unsere größte Wunde ist gleichzeitig unsere größte Stärke.
Meine Lebensenergie ist ganz oben auf der Liste der guten Dinge. Aber lange dachte ich, dass ich auch das vor der Welt verbergen müsste. Ich habe ja zu viel davon.
Der erste Schlüssel, um da herauszukommen, war zu erkennen, dass ich Ordnung bin, so wie ich bin.
Als ich das langsam erahnen konnte und in meinen Selbstzertifizierungen ausreichend zelebriert hatte, wurde es mir ermöglicht, eine Schicht tiefer zu kommen.
Es war in einer Integralen Organisations-Struktur-Aufstellung. Ein unerwartetes Geschenk, das mir im Sommer 2019 widerfuhr.
Ich wollte wissen, warum ich alles immer nur gegen mich richte und nicht dorthin, wohin es eigentlich gehört. Also stand jemand für mein Problem. Jemand stand für meinen Fokus auf das Problem. Und jemand stand für das eigentliche Problem. Das, was hinter dem Problem steht.
Und dann war sie da.
Ich nenne sie Maria.
So heißt meine Mutter mit zweitem Namen, nach meiner Uroma. So heißt die verstorbene Schwester meiner Oma. Ihre lebende ehrlich gesagt auch. Marianne heißt eine verstorbene Schwester meines Vaters. Die lebende meiner Mutter auch.
Bestimmt würde sie Maria heißen.
Meine ungeborene Zwillingsschwester.
Und alle meine Lebenswahrheiten machten plötzlich einen Sinn.
Erst habe ich es gar nicht geschnallt. Wie kann man das auch?
Es ist nicht zu wissen. Es ist nur zu fühlen.
Und dann verstand ich endlich, warum ich traurig bin.
Wer es sofort glauben und annehmen konnte, das war mein Mann. Er sah den Unterschied in mir sofort.
Die Britta ohne Maria, die fühlte die Schuld der Überlebenden. Sie hatte sich nie die Erlaubnis gegeben, hier zu sein und bewies sich immer wieder aufs Neue, dass sie ungewollt, ungeliebt und ungeschützt in dieser Welt sei. Noch dazu strahlte sie ein Was-willst-du-von-mir? aus.
Ich habe mir früher auch immer eine Schwester gewünscht – und zwar mit einem leicht schlechten Gewissen, weil ich sie mir gleichaltrig vorgestellt habe. Das ging ja nicht – aber es war als Kind mein großer Traum.
Ich glaube nicht, dass ich mich selbst als unvollständig empfunden habe. Aber da war ein Hunger in mir, der nicht zu stillen war. In meiner Jugend war keine meiner Freundschaften mir tief genug. Ich habe das für typische Pubertätsprobleme gehalten, dass ich so eine Unzufriedenheit und Leere gespürt habe, wo eine Verbindung hätte sein müssen. Wirklich nichts war mir tief genug. Ich habe die meisten Begegnungen als oberflächlich empfunden.
Jetzt weiß ich, dass ich in allem immer nur die verlorene Verbundenheit mit meiner Schwester gesucht habe. Und ich verstehe jetzt, dass niemand diese Innigkeit ersetzen kann.
Das kann ich nur selbst.
Es ist für mich noch immer schwer zu begreifen. Aber an dem Tag, an dem ich erkannte, weswegen ich traurig bin – da war ich es nicht mehr.
Die Britta mit Maria, die hat die Erlaubnis, ganz aus dem Vollen zu schöpfen.
Ich kann mir jetzt endlich die Erlaubnis geben, hier zu sein.
Zu leben.
Glücklich zu sein.
Ohne sie. Und dennoch mit ihr verbunden.
Ich kann endlich ich selbst sein.
Das Verrückte ist, dass ich wirklich nie drauf kommen konnte. Es ließ sich alles so gut erklären durch die anderen Themen, die ich im Laufe meines Leben gebändigt habe. Hochbegabung. Hochsensitivität. Frühkindliches Trauma. Unsicher vermeidend gebunden.
Auch wenn ich es bewusst nicht ahnen konnte und durch meinen Start als Inkubatorkind und meine anderen Macken wie dem überschießenden Energiehaushalt durchaus bereits über Jahrzehnte mit Traumaauflösung an anderer Stelle beschäftigt war – dadurch, dass ich mein Leben lang irgendwie auf der Suche nach ihr war, habe ich dennoch bereits einige heilende Schritte vollziehen können.
Unvergessen ist das Entstehen meiner Embryonalschablone auf dem Playing Arts Sommeratelier 2009, von der ich dachte, sie wäre ein Symbol für mein inneres Kind. Sie führte mich 2016 auf eine Reise zum Loch Ness, nur ich und sie, wo sie nun auf ewig mit meinem Lieblingsungeheuer schwimmt.
…allerdings nicht, ohne vorher einen Abstecher über Nottingham gemacht zu haben….
Das war die wohl heilsamste Aktion, die ich jemals für mein inneres Kind getan habe.
Ich suchte also immer den Kontakt zu meiner verlorenen Schwester.
Den mir niemand auf dieser Welt ersetzen kann.
Die Frage ist:
Wie verbinde ich mich bewusst mit ihr?
Manchmal sind es die kleinen Momente. Einmal stieß mein Mann mich beim Einkaufen darauf, dass ich nicht mehr Zwei von allem mitnehme. Da brach ich dann mitten im Laden kurz mal in Tränen aus. Eine Senftube in der Hand haltend. Nicht zwei.
Ich habe mir eine Halskette gekauft, die für die Verbindung mit ihr steht. Immer wenn ich sie in die Hand nehme, bin ich daran erinnert. Sie ist immer bei mir.
Sie tauchte sogar unverhofft neben mir auf, als ich beim Zeichnen eines Ahnenmandalas in Ilka Sventja Jörgs Ahnenheilungsgruppe, damals noch Deep Roots, Verbindungslinien zu meinen Ahnen fließen ließ. Wir sind das grüne Geschwisterpaar in der Mitte.
In einem Interview, das sie mit mir über ihre Ahnenarbeit geführt hat, erzähle ich auch von meinem verlorenen Zwilling.
Ein sehr großes Geschenk machte mir Sabine Makkos, indem ich mich unter ihrer Anleitung neurographisch mit meiner ungeborenen Schwester verbinden durfte. Als Frau Sternenherz hilft sie eigentlich Müttern mit ungeborenen Kindern. Meine Geschichte rührte sie an und sie nahm sie in ihr Spektrum auf. Es floss viel Liebe!
In Traumreisen begegne ich ihr manchmal – beim Yoga Nidra öffnete sich einmal ein Raum in meinem dritten Auge, ein orientalisch anmutender Palast, in dem wir befreit miteinander tanzten. In einer weiteren geführten Meditation zur Erweckung von Selbstmitgefühl zerfloss sie am Schluss zu Goldstaub, der von meinem Herzen aufgenommen wurde. Die Möglichkeiten, sich mithilfe von Imagination zu verbinden, sind sicherlich unerschöpflich.
Ein weiterer Weg war für mich, in einem luziden Traum um eine Begegnung mit ihr zu bitten. Das endete zwar in einem luziden Alptraum, da ich in ihr eine wahnsinnige Version meiner selbst sah, die wirklich nackte Angst in mir auslöste, in der ich noch den ganzen Folgetag weiterbadete – im Zuge des Integrationsprozesses und des Raumgebens dieser Angst wurde mir allerdings klar, dass ich, die ja nie vor irgendetwas Angst hat und allein reist, allein in den Wald geht, allein auf dem Kiez unterwegs ist, wie jeder andere auch doch vor irgendwas Angst fühlen müsste! Und mir wurde klar, dass ich sie, wie so vieles in meiner Psyche, komplett dissoziiert und outgesourced habe.
In einem Prozess des luziden Schreibens verband ich mich mit meiner ausgewählten Projektionsfläche – und verdanke meiner Schwester also nun auch diese wichtige Erkenntnis.
Ein weiterer hilfreicher Schritt war ein Bild zu erhalten, das uns beide im Idealzustand zeigt. Danke nochmal, Oliver Brandt, für die zauberhafte Darstellung von uns beiden. Du hast sofort verstanden, was ich meinte, als ich Dich darum bat. Die Verbundenheit ist sichtbar da. Ich kann sie spüren. So hätte es sein sollen. Und das ist so heilsam und schön zu sehen.
Was verändert sich?
Eine für mich sehr deutliche Veränderung ist – auch, wenn ich mich blendend fühle: Ich kriege nichts mehr gebacken. Mein Leben ist irgendwie zu groß für mich geworden. Fraglos habe ich mein Leben lang für zwei gearbeitet, habe Tag und Nacht gearbeitet, habe neben drei freiberuflichen Standbeinen (eines davon in Vollzeit) sogar noch ein Ehrenamt angenommen. Fraglos habe ich mich nebenher immer weitergebildet und mich auf dem neuesten Stand gehalten. Über die Idee einer 40 Stunden Woche lache ich schallend. Das wäre ja wie Urlaub.
Wie habe ich das gemacht? Warum habe ich das gemacht?
Abgesehen davon, dass es für mich gut ist, mein Zuviel an Energie irgendwie sinnvoll zu kanalisieren und dass ich von meinem Wissen lebe: Es gibt keinen Pausenknopf bei mir. Und jetzt spüre ich es zum ersten Mal wirklich. Ich brauche eine Pause. Ich sehe mich außerstande, weiter zu funktionieren. Auch das hat sie mir geschenkt.
Eine weitere Sache lässt mir einfach keine Ruhe. Das ist die Theorie, dass ein Zwilling die linear-konvergente Nische besetzt und der andere die kreativ-divergente. Und dass sie, wenn sie zusammen sind, sich gegenseitig das Feld des anderen eröffnen. Was im Umkehrschluss erklärt, warum ich mathematisch-naturwissenschaftlich echt grenzdebil bin und alles, wirklich alles, sprachlich kompensieren muss. Das ganze Feld erschließt sich mir einfach nicht, oder nur blitzartig und dann kann ich es danach nie wieder abrufen. Ich habe mich immer strohdumm gefühlt. Diese Theorie, so schräg ich sie finde, bezaubert mich sehr. Maria ist also die Mathematikerin unter uns und hat das Wissen einfach mitgenommen. Wie mich das entlastet! Ich lerne ja gerade Magie in meinem Leben zuzulassen – also kann ich mir das Feld vielleicht zurückerobern! Wie genial wäre das???
Warum weiß kaum jemand, dass es verlorene Zwillinge gibt?
Auch wenn Mütter in den allerseltensten Fällen von den verlorenen Zwillingen ihrer Kinder ahnen können, es soll je nach Literatur bis zu 70 Prozent der Schwangerschaften betreffen. Und kaum jemand weiß es – und vor allem nicht, welche Auswirkungen es auf die Geborenen hat.
Meine Mutter habe ich danach gefragt, bevor ich zum ersten Mal darüber geschrieben habe – sie wusste es nicht. Das ist in den meisten Fällen wohl so. Ich kann es also nicht beweisen. Aber es fühlt sich so unfassbar richtig an. Es stimmt für mich.
Die Bücher, die ich inzwischen zu dem Thema gelesen habe, erklären, dass die meisten Abgänge im ersten Trimester geschehen. Da die Pränataldiagnostik in Deutschland erst später beginnt, bleibt es meist unentdeckt und der verstorbene Fötus wird von der Plazenta des Überlebenden aufgenommen. Manchmal wird er auch im Körper verarbeitet, dann kann man den Zwilling als Fremdkörper erkennen.
Für die Zurückbleibenden ist es ein ozeanisches Gefühl der Zeitlosigkeit, das sind gefühlte Äonen. Daher wirkt es so stark auf die Psyche.
Ich hatte mit meinem expressiven Leben Glück – viele entwickeln unerklärliche Ängste vor dem Tod, da sie so lang mit ihm gelebt haben. Ich bin eher angezogen davon. Es gibt immer wieder Menschen in meinem Berufsleben, die gehen können, nachdem ich bei ihnen war, deren letzte Begegnung ich war. Ich strahle etwas aus, das sie loslassen lässt.
Alle meine Symptome sind in den Büchern beschrieben
Eine solche Liste (die zum Glück nicht komplett auf mich zutrifft, aber schon erschreckend bekannt klingt), stammt aus „Der allein gebliebene Zwilling“ von Peter Bourquin und Carmen Cortés.
Ich habe keinen Platz in meinem Leben
Ich verspüre ständig Angst
Ich sollte nicht hier sein
Niemand sieht mich wirklich
Es gibt keine Sicherheit, jederzeit kann etwas Schlimmes passieren
Ich bin traurig
Ich fühle mich einsam
Es fehlt mir etwas oder jemand
Ich habe meiner Mutter wehgetan und traue mich deshalb nicht, ihr zu nahe zu kommen.
Ich fühle mich schuldig
Ich muss mir das Recht zu Leben verdienen
Eine sehr viel detailliertere Zusammenstellung, als Selbsttest gedacht, fand ich auf der Seite von Annett Petra Breithaupt. Hier wird der Zusammenhang zur Hochsensitivität noch einmal so richtig verdeutlicht:
„Mögliche Auswirkungen auf Beziehungen
Ich muss viel tun, um eine erfüllte Beziehung zu haben
Ich werde immer allein sein
Nur mit dem/der Einen kann ich wirklich glücklich werden
Ich muss ständig mit jemanden zusammen sein
Ich kann nicht vertrauen, muss aufpassen, dass der/die Andere da bleibt
Ich muss den/die Andere retten, gesund machen, erfolgreiche machen, nur dann kann Liebe entstehen
Einsamkeit, unstillbare Sehnsucht und das Bedürfnis nach symbolischer Verschmelzung (die gut gelebte Sexualität zwischen Erwachsenen fast unmöglich macht) kreieren unerfüllte Liebesbeziehungen, ebenso wie die ständige Angst vor Verlust, das nicht Aushalten können von wirklicher Nähe und sich nicht Einlassen können auf tiefe Bindung. Unerklärliche Schuldgefühle, retten und erhalten wollen um jeden Preis, übergroße Ängste vor Veränderungen. Solange das Trauma noch aktiv ist, bestimmt es oft die Partnerwahl.
Mögliche Auswirkungen auf den Beruf
Ich muss für zwei/drei arbeiten – daraus resultiert Dauerüberforderung
Ich schaffe es nicht
Ich muss alles allein machen, kann nicht delegieren
Ich habe Angst vor dem Ende des Projekts, was kommt dann, Leere? Deshalb beende ich es lieber nicht
Ich darf nicht wirklich erfolgreich sein, wenn du nicht leben darfst
Nicht selten wird der falsche Beruf gewählt (der, der mehr dem Potential des gegangenen Zwillings entspricht), so wird es immer anstrengend und erfolglos sein.
Mögliche Auswirkungen auf die Finanzen
Ich darf nichts haben, weil der/die Andere ja nicht leben darf
Mir darf es nicht gut gehen, weil der Schmerz um den Verlust so groß ist
Viel Geld in die Rettung und Erhaltung anderer stecken. Das können auch Projekte, Häuser, Autos, technische Geräte, Haustiere oder Besitz sein, der eigentlich nicht mehr wirklich zur aktuellen Lebenssituation passt. Es entsteht die Neigung alles doppelt zu kaufen.
Mögliche Auswirkungen auf die Wohnsituation
Mir darf es nicht gut gehen (man lebt mit kaputten Dingen in einer unschönen Umgebung)
Ich habe keinen Raum
Ich darf mich nicht schützen
Ich kann nichts wegschmeißen
Viele Betroffene haben auch zwei und mehr Wohnungen, zwischen denen sie ständig pendeln und immer mit Umzugskisten und Koffern leben.
Schwierigkeiten, die eigene Identität zu finden
Wie es allein weiter geht
Ich kann mich nicht richtig abgrenzen, mir geht alles so nahe
Ich weiß immer, was mit Anderen los ist
Was ist wirklich meins? (Vor allem im Fühlen)
Was passt zu mir? (z.B. meine Kleidung, mein Lebensstil, meine sexuelle Identität)
Verfolge ich meine Projekte oder meine Idee von jemand Anderem ohne es zu merken?
Körperliche Auswirkungen
Ich bin immer zu schwach, zu kraftlos, zu antriebslos
Ich spüre mich nicht richtig, nur über große Reize
Ich bin nicht richtig bei mir, gehe ständig über meine Grenzen (z.B. zu viel Sport, zu viel Essen etc.)
Ich nähre mich nicht richtig (nutze mir zur Verfügung stehende Ressourcen nicht wirklich)
Symptome betreffen oft die paarigen Organe (z.B. Augen, Schilddrüsen, Brust, Nieren) und die Körperbereiche, die sich beim Embryo gerade entwickelt haben, als der Bruder/die Schwester ging. Autoimmunerkrankungen zeigen den inneren Konflikt „ich will leben, will (darf) nicht leben“ am deutlichsten. Das Geschehen im Mutterleib, war für den Überlebenden eine real lebensbedrohliche Situation, da beim Verlust des Zwillings die Schwangerschaftshormone der Mutter sehr stark abgefallen sind, so gehen auch später viele gewünschte Lebensveränderungen mit starken Körperreaktionen einher, bis hin zu Panikattacken.“
Wenn man um das Phänomen weiß, liegt es offenbar klar auf der Hand. Ich habe nach meinem Outing von einer guten Freundin die Rückmeldung bekommen, dass sie, seit sie mich kennt, dachte, ich könnte einen verlorenen Zwilling haben. Alles, was ich so über mich erzählte, hatte sie daran erinnert. Sie hat es aber nie laut ausgesprochen.
Wie denn auch? Erst nachdem ich es wusste.
Das hat mich sehr umgehauen.
Ich möchte also wirklich gern dazu beitragen, dass das Thema bekannter wird. Unter anderem werde ich gerade bei Isa-Bianka und Julian Mack zum IOSA-Practitioner ausgebildet, um die Integralen Organisations-Strukturaufstellungen zu durchdringen. Ich muss wissen, wie das funktioniert! Im Zuge meiner integralen Coachingausbildung entstand mein Selbstheilungskurs „Umarme Deine Symptome …und aktiviere Deine Selbstheilungskräfte“, in den ich alle meine Erfahrungen fließen lasse.
Ein möglicher Weg, herauszukriegen, ob man ebenfalls betroffen ist, ist also, es in einer Aufstellung zu erkennen. Und da kommt es wohl recht häufig vor, dass verlorene Zwillinge auftauchen. Es ist ja schon bekannt, wie bedeutsam ungeborene oder verstorbene Geschwister sind – ein weiteres verwandtes Phänomen.
Ansonsten verlasse ich mich beim Erkennen, ob ich von einem Thema betroffen bin, ganz darauf, dass mein Körper sowas besser weiß als ich. Nachdem ich bei Bessel van der Kolk über eine Frau gelesen hatte, die während einer Narkose aufgewacht war, durchlebte mein System eine gefühlte halbseitige Lähmung und brachte mir die Erinnerung ins Bewusstsein, dass ich als Kind dasselbe erlebt hatte (noch ein Trauma, mit fünf Jahren von einer Mandeloperation mitgebracht!).
Wenn ich nicht von diesem Körpererfahrungsspeicher und intrinsischen Körperwissen überzeugt wäre, würde dieser Artikel, mit dem ich Menschen, die es von sich nicht wissen, überhaupt erst darauf aufmerksam machen möchte, wenig Sinn machen. Ich denke, die Resonanz, die das Lesen im Körper erzeugt, wird zu der Erkenntnis führen, ob es ein Thema ist, das sich weiterzuverfolgen lohnt – oder nicht.
Es ist wohl wie bei den meisten Blockaden. Wenn man sie benennen kann, sind sie schon fast integriert!
Ich habe durch meine Begegnung mit Maria unglaublich viel gewonnen.
Wer wissen möchte, wie die Geschichte weitergegangen ist: Vom 12. bis zum 21. Dezember 2022 veranstaltet Elke Brenner einen Kongress Lebender Zwilling – Vom Verlust zur Freude. Ich bin am 19.12. als Interviepartnerin dabei.
Fragen der Kinder zu beantworten, Zusammen zu wirken, gemeinsam zu Forschen – Projektarbeit ist ganzheitliche Bildung, sie stärkt, fördert und macht Spaß.
Sie setzen ein Beobachtungsinstrument ein und streben nun die nächsten Schritte der Förderung ihrer Kinder an.
In diesem Seminar geht es darum, Ideen zu sammeln, welche Projekte sinnvoll für Ihre individuelle Einrichtung zu entwickeln sind. Anhand ihrer bestehenden Dokumentation erhalten Sie die Gelegenheit, zu reflektieren, welche Angebote Sie ihren Kindergruppen machen möchten. Der Fokus liegt dabei auf den Interessen der Kinder.
Unter Berücksichtigung der Erkenntnisse aus frühkindlicher Bildung, Lernen und Entwicklung sowie Einbezug der verschiedenen Bildungsbereiche – wie dem naturwissenschaftlich-technischen oder dem künstlerisch-musischen, Sozialverhalten, Naturerleben, Körper, Bewegung, Spiel und Gesundheit… – erstellen Sie ein praktisch umsetzbares Konzept. Zusätzlich werfen wir einen Blick auf die sprachförderliche Umsetzung.
Frühkindliche Bildung und Lernen
Bildungsbereiche
Nächste Schritte der Förderung
Ideensammlung
Reflexion
Konzepterstellung bis zur praktischen und sprachförderlichen Umsetzung
Elterngespräche können zwischen Tür und Angel stattfinden oder als Entwicklungsgespräch anhand gesammelter Materialien und Dokumentationen vorbereitet werden.
Gängige Methoden der Gesprächsführung wie Aktives Zuhören und Ich-Botschaften wirken, wenn sie empathisch und authentisch gegenseitige Wertschätzung widerspiegeln.
In diesem Seminar geht es anhand von Übung und Reflexion um das Finden einer Haltung, aus der heraus eine gelungene Kommunikation mit Eltern erreicht werden kann.
Hilfreiche Verhaltensweisen zur Vorbereitung eines ressourcen- und lösungsorientierten Gespräches werden erarbeitet.
Kinder mit reichhaltigen Literacy-Erfahrungen in der frühen Kindheit haben auch längerfristig Entwicklungsvorteile, sowohl im Bereich der Sprachkompetenz als auch beim Lesen und Schreiben, denn diese gehören nachweislich zu den wichtigsten Grundlagen für den Schulerfolg und für die Bildungslaufbahn von Kindern.
In diesem Seminar wird thematisiert, wie Erzieherinnen ein kindgerechtes und dialogorientiertes Betrachten von Bilderbüchern anbieten, anregendes Erzählen mit Kindern fördern und eine Metasprache, das Sprechen über die Sprache selbst, einführen können.
Ein ressourcenorientiertes Beobachtungs- und Dokumentationsverfahren
Bildungs- und Lerngeschichten schaffen eine Grundlage für die Kommunikation im Kita-Team, mit den Eltern und Kindern und wirken nachhaltig sprach-, begabungs- und partizipationsfördernd. Durch bewusste Beobachtung und ansprechende Dokumentation der kindlichen Lernprozesse im Portfolio können Erzieher kindliche Interessen und Kompetenzen anerkennend wahrnehmen und darauf aufbauend weitere Entwicklungsschritte und Lernerfolge gezielt fördern.
Ich selbst darf in diesem Seminar immer wieder als Negativbeispiel herhalten. Freiwillig. Inzwischen verkaufe ich das als Prioritätensetzung. Andere nennen es Schätze heben bzw. Stärken stärken.
Die Wahrheit ist: Ich bastele nicht gern.
Schon im Kindergarten hat man mich nicht in der Bastelecke vorgefunden. Aus Gründen. Warum muss heute jeder ein Universalgenie sein? Ich wurde mit meinen – zugegebenermaßen eingeschränkten – ausschließlich sprachlichen Fähigkeiten gefördert. Meine Grundschullehrerin ließ den Rest der Klasse in Rechtschreibung gegen mich antreten. Mein Plattdeutsch- und Religionslehrer nahm mich in seine Kasperletheatergruppe auf. Er weiß heute noch genau, welche Weiche er da für mich stellte. Mit meiner 3 in Mathe hätte mich heute niemand auf ein Gymnasium gelassen.
Ich hätte als Kind dieser Zeit wohl keine Chance mehr, in meinen Stärken gesehen zu werden.
Ich bin der Meinung, dass wir Menschen alle unsere Defizite kompensieren können – wenn man uns lässt. Ich selbst bin das beste Beispiel dafür, dass man ohne nennenswerte motorische oder mathematische Veranlagung etwas werden kann.
Allerdings musste ich durch einen tiefen Sumpf der Unwürdigkeit und gefühlten Dummheit waten, bis ich das an mir schätzen konnte, was ich kann – und nicht an der langen Liste der Dinge zerbrach, die ich nicht kann – und mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nie können werde.
Alles was ich brauchte war jemand, der mich gesehen hat.
Das war wirklich alles.
Ein Pädagoge kann ein Menschenleben für immer verändern.
Und heute gehe ich in Kitas und rede vom positiven Blick. Fühlt sich gut an.
„Du willst doch nicht ernsthaft sagen, dass ein auffälliges Kind sich verändert, wenn ich einen anderen Blick auf es bekomme?“
So lautete einmal die intelligente Nachfrage einer Teilnehmerin dieses Seminares.
Und ja, genau das sage ich.
Sie konnte sich nicht vorstellen, wie sie das bewirken kann, wenn sie als Erwachsene doch selbst gar nicht involviert ist in die Konfliktsituationen, die das Kind mit anderen Kindern hat.
Ich glaube, dass wir nicht nicht involviert sein können.
Ich bin überzeugt davon, dass das Kind es spürt, wenn ich ihm gegenüber eine andere Erwartungshaltung an den Tag lege – dass ich es für möglich und denkbar halte, dass es sich neu verhält. Daraufhin wird es sein Verhaltensrepertoire erweitern und nach und nach seine Schublade in meinem Kopf verlassen können. Es wird sich darüber ehrlich freuen, nicht mehr so festgelegt zu werden, sich öffnen und das nach außen ausstrahlen.
Und das wiederum spüren sofort die anderen Kinder und verhalten sich ihm gegenüber ebenso neu.
Alle sind ein Stück befreit von den Rollen und Zuschreibungen, die sie von den Erwachsenen unreflektiert übernommen haben.
Und schwupps hat mein veränderter Blick für das Kind eine neue Welt geschaffen.
Alles, was es braucht, ist Vertrauen. Und vielleicht ein bisschen Handwerkszeug. Wie die Bildungs- und Lerngeschichten es mit ihrem wertschätzenden Menschenbild anbieten.
Mögliche Inhalte:
Bildung und Lernen in der frühen Kindheit
Der Ansatz der Bildungs- und Lerngeschichten
Zeitlupenbeobachtung und ihre Analyse nach Lerndispositionen
Störungen der Sprachentwicklung haben vielfältige Ursachen und treten in verschiedenen Bereichen auf. Erzieherinnen können alltagsintegriert durch ein gutes Sprachvorbild wirken.
Manchmal weisen sprachauffällige Kinder jedoch Schwächen in der Koordination und Wahrnehmung der Mundmotorik, insbesondere der Lippen-, Wangen- und Zungenmuskulatur auf. Hier kann durch spielerische Übungen eine Sensibilisierung und Stärkung der Mundmuskulatur gefördert werden: Bei Kindern beliebte Saugübungen, Pusteübungen und mundmotorische Spiele werden in Bezug auf die Förderung der Artikulation erklärt und durchgeführt.
Bereits vorschulisch können Kinder die Fähigkeit trainieren, Wörter in Silben zu zerlegen, Silben zu einem Wort zusammenzufügen, Reime und Anlaute zu erkennen, aus Lauten ein Wort zu bilden oder ein Wort in seine Laute zu zerlegen.
Übungen zur phonologischen Bewusstheit dienen der Prävention von Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten im Schulalter. Gängige Screeningverfahren und die Elemente der phonologischen Bewusstheit in Theorie und Praxis werden vorgestellt. Ebenso geht es um Anschauungsmaterial und in Kindertagesstätten gängige Übungsprogramme.
Kindliche Ausspracheentwicklung und -störungen
Förderung der Mundmotorik
Mundmotorische Funktionen von Atmung, Lippen, Zunge, Wangen-/Kaumuskulatur und Gaumensegel
Mundmotorische Funktionsstörungen und ihre negativen Auswirkungen auf den gesamten Organismus
Vorstellung und Durchführung zahlreicher mundmotorischer Übungen, Puste- und Saugübungen
Erzieherinnen erzählen mir immer wieder die gleiche Story:
Ein Kind hat sich sprachlich nicht ausreichend entwickelt. Da gibt es klare Marker, z.B. wenn das Kind die 50 Wörter-Grenze mit zwei Jahren noch nicht erreicht hat und noch keine Zweiwortsätze bildet. Das Kind ist dann ein sogenannter Late-Talker – und trägt somit ein 20-fach erhöhtes Risiko, eine Sprachentwicklungsstörung auszubilden.
Keine Verzögerung. Eine Störung!
Viele Erzieherinnen wissen das und sprechen dann rechtzeitig die Eltern an. Die Eltern gehen dann zum Kinderarzt. Und der sagt: Das verwächst sich.
Und die Erzieherin steht dann doof da (Die Logopädin übrigens auch).
Und dem Kind wird nicht geholfen.
Das kommt dann oft Jahre später mit heftigen phonologischen Verarbeitungsstörungen im Vorschuljahr in meine Praxis und ich muss dann die Arbeit, für die ich entspannt Zeit gehabt hätte, wenn die Erzieherin und die Eltern ernst genommen worden wären, in wenigen Monaten machen. Wobei dann eine spätere Lese-Rechtschreibschwäche häufig nicht mehr zu verhindern ist.
Ja, das frustriert mich seit Jahren.
Immer wieder kommen Mütter nach einer kurzen Beratung bei mir ohne Verordnung vom Kinderarzt wieder. Das Kind bekommt eine logopädische Verordnung, wenn es vier wird, obwohl es jetzt, mit drei Jahren, gerade mal anfängt, bei äußerst eingeschränktem Wortschatz Zweiwortsätze zu bilden und eine pathologische phonologische Störung zeigt. Die von allein nicht besser werden KANN.
Zum Glück gibt es Beobachtungsinstrumente, die auch Kinderärzte verwenden – und wenn man die im Vorfeld ausfüllt und den Eltern in die Praxis mitgibt, dann hat die Sorge um das Kind plötzlich ein ganz anderes Gewicht. Sie ist dann wissenschaftlich fundiert dokumentiert. Sie gibt nicht nur ein dumpfes Gefühl wider. Die Sprache, die Ärzte sprechen. Geballte und ausgestrahlte pädagogisch-therapeutische Kompetenz.
In diesem Seminar geht es um die Abgrenzung von Sprachentwicklungsverzögerungen gegenüber Sprachentwicklungsstörungen – und wie man sie erfolgreich erkennen und passgerechte Hilfe für das betroffene Kind in die Wege leiten kann.
Es ist wirklich wichtig, dass wir uns da im Sinne der Kinder durchzusetzen lernen. Zugang zu Sprachförderung und Sprachtherapie sind kein Luxus. Sie sind die Grundlage für alles, was folgt. Sprache ist eine Querschnittsaufgabe, die sich durch alle Bildungsbereiche zieht. Bildungssprache zu erwerben sollte niemandem verwehrt werden.
Erzieherinnen haben die Aufgabe, die Sprachentwicklung von Kindern einzuschätzen, um Förderung oder Therapie zu vermitteln und beim Übergang in die Grundschule ihren Sprachstand darzustellen.
Hierbei können sie anhand von Beobachtungen vorgehen oder aber gängige Screening- und Testverfahren verwenden.
Sprachentwicklung und mögliche Störungen sowie verschiedene Sprachfeststellungsverfahren und ihre Dokumentation werden vorgestellt.
Bitte bringen Sie Ihre vorhandenen Beobachtungsinstrumente mit!
Sprachentwicklung
Sprachentwicklung und mögliche Warnhinweise
Entwicklung der Aussprache
Mehrsprachigkeit
Stottern
Beobachtung und Dokumentation
Theorie: Beobachtungsebenen
Praxis: Beobachtungsinstrumente und ihre Anwendung
Reflexion: Beobachtungsfehler und Selbstreflexion
Verfahren zur Sprachstandserhebung
Screenings und Tests
Dieses Seminar wird am 12.11.2021 bei der Social Academy in Hamburg angeboten.
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